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Jeden Tag Geburtstag

Annette Müller arbeitet seit 40 Jahren als Hebamme bei Vivantes – genauer gesagt im Klinikum Kaulsdorf. Angefangen hatte sie dort im September 1981 als Auszubildende, inzwischen ist sie die stellvertretende Leiterin ihres Teams. Für ihren Beruf begeistert sie sich auch heute noch wie am ersten Tag.

40 Jahre Hebamme bei Vivantes

40 Jahre im selben Job in der Geburtsklinik im Vivantes Klinikum Kaulsdorf sind eine lange Zeit. Erinnern Sie sich noch an Ihr Vorstellungsgespräch?

Annette Müller: "Ja, ich war gerade mal 15, als ich zum Bewerbungsgespräch kam. Damals brauchte man kein Abi und keinen Test – ich kam direkt von der POS (Politechnische Oberschule). Es war alles einfacher als heute – in der DDR wurden Hebammen gesucht, man bewarb sich und hatte gute Chancen. Das Gespräch führte dann die leitende Hebamme."

"Ich wollte schon immer Hebamme werden."

Und es hat geklappt, wie man sieht. War Hebamme damals ihr Traumberuf?

Annette Müller: "Ich wollte immer schon Hebamme werden und konnte mir nichts anderes für mich vorstellen. Meine Mutter hatte in den 60ern ihre Hebammenausbildung angefangen, wurde dann aber nach einem Jahr schwanger und konnte die Ausbildung nicht zu Ende bringen. Ich habe also sozusagen beendet, was meine Mutter angefangen hat."

Wie lief die Ausbildung, wie wurde man damals Hebamme?

Annette Müller: "1984 habe ich mein Fachschulstudium an der medizinischen Fachschule der Charité Jenny-Marx abgeschlossen (benannt nach der Ehefrau von Karl Marx). Im dritten Ausbildungsjahr wurde man nur noch praktisch am Standort ausgebildet, an dem man sich beworben hatte. In den Jahren vorher gab es jeweils 3 Wochen Theorie und 3 Wochen Praxis im Wechsel."

"Was kann es Schöneres geben, als ein neues Leben willkommen zu heißen?"

Man merkt, wie sehr Sie Ihren Beruf lieben. Was macht ihn aus?

Annette Müller: "Was kann es Schöneres geben, als ein neues Leben willkommen zu heißen? Die Hebamme ist der erste Mensch, den die Neugeborenen sehen. Die meisten Geburten verlaufen sehr schön und emotional und ich konnte so viele unterschiedliche Frauen aus verschiedenen Nationen kennenlernen. Das hat mir immer sehr an meiner Arbeit gefallen – zu DDR-Zeiten waren das zum Beispiel Gastarbeiter und die Mütter aus kubanischen Familien, aufgrund der sozialistischen Freundschaft."

Kommen immer noch Mütter aus der ganzen Welt?

Annette Müller: "Ja, seit 2016 haben wir häufiger syrische Mütter bei uns, aber eigentlich kommen sie aus allen Nationen - polnische, rumänische, vietnamesische - seit diesem Jahr auch afghanische. Wenn die Mütter wenig Deutsch sprechen, erklären wir mit Händen und Füßen – das Kind kommt schließlich am Ende immer auf die Welt. Und es gibt Mütter aller Altersstufen – meine Jüngste war 13, die Älteste 54 Jahre alt. Und auch menschlich und charakterlich ist jede Mutter anders, sodass man sich auf jede Frau und jede Geburt individuell einstellt. Dabei kann ich für mich feststellen, dass das Bauchgefühl ein verdammt guter Kopf ist."

Wie Hebammen mit schweirigen Geburten umgehen

Sie haben angedeutet, dass es auch schwierige Geburten gibt. Hatten sie davor zu Beginn ihrer Karriere Angst?

Annette Müller: "Vielleicht keine Angst, aber doch Respekt. Letztlich merkt man schnell, dass Theorie und Praxis unterschiedlich sind. Nachdem man gelesen hat, wie es im Buch steht, geht es darum umzudenken und umzusetzen – das braucht bestimmt 5 Jahre Berufserfahrung. Nicht immer steht es in unserer Macht etwas zu tun. Da gibt es Nabelschnurvorfälle, oder vorzeitige Plazentaablösungen und andere unvorhersehbare Komplikationen."

Wie lässt sich damit im Alltag klarkommen?

Annette Müller: "Wir besprechen uns mit den Kolleginnen und geben uns Trost. Als stellvertretende leitende Hebamme kann ich den Kolleginnen beistehen, oder die Kolleginnen, die jeweils Dienst haben, sind füreinander da. Für mich war da unsere leitende Hebamme Petra Stoltz die größte Stütze, durch die ich wurde, wer ich bin. Bevor sie in den Ruhestand gegangen ist, war sie nicht nur meine Chefin, sondern auch meine Mentorin und Freundin."

"Eine Mama hat ihr Kind nach mir benannt"

Erinnern Sie sich noch an einzelne Geburten?

Annette Müller: "Klar, zum Beispiel an meine „Prüfungsgeburt“: Es war das vierte Kind für die Mutter und alles lief glatt, ohne Komplikationen. Schön ist es auch immer, wenn Kinder, die man auf die Welt gebracht hat heute ihre eigenen Kinder bekommen. So zum Beispiel eine Mama, die 1987 ihr Kind nach mir benannt hat. Damals nutzten wir keinen Ultraschall und sie war so überrascht, dass es ein Mädchen war, dass sie noch keinen Namen hatte. Vor zwei Jahren hat diese Annette mit mir ihr zweites Kind bekommen…"