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Eine Verständnisfrage – kultursensible Altenpflege

Jasmina Pipic kam 1992 als Geflüchtete aus Bosnien zurück nach Berlin. Als ihr Aufenthaltsstatus abgelaufen war, wurde sie nach Bosnien abgeschoben und kehrte später als Studentin der Humanmedizin nach Deutschland zurück. Die Pflegedienstleiterin im Haus Leonore weiß genau, worauf es beim Konzept der kultursensiblen Pflege ankommt.

In ihrer täglichen Arbeit im Haus Leonore kann Jasmina Pipic auf die Erfahrungen ihrer eigenen Biografie zurückgreifen. In Berlin geboren, verließ sie die Stadt mit sieben Jahren um nach Bosnien in das Land ihrer Eltern zu gehen. 1992 floh sie vor dem Bürgerkrieg und kehrte nach Berlin zurück. Sie kennt die besondere Situation, wenn vieles fremd ist: Sprache, Kultur und nicht zuletzt die Menschen. Dies kommt ihr im Berufsalltag oft zugute, denn die kultursensible Pflege ist im Haus Leonore der Vivantes Hauptstadtpflege gelebte Praxis.

Warum leben weniger Migrantinnen und Migranten in Pflegeheimen?

Laut einer Studie des Bundesgesundheitsministeriums haben in Deutschland über acht Prozent der im Sinne des SGB XI pflegebedürftigen Personen einen Migrationshintergrund. Der Anteil wird in den kommenden 20 Jahren auf 12,5 Prozent steigen. In Berlin leben besonders viele Menschen, die selbst oder deren Vater oder Mutter nicht mit deutscher Staatsangehörigkeit geboren wurden.

Die Situation von älteren Menschen mit Migrationshintergrund ist oftmals von Unsicherheit und einem Fremdheitsgefühl geprägt. Hinzu kommt häufig eine prekäre finanzielle Situation in Bezug auf Rentenansprüche. Das sind Gründe, aus denen Migrantinnen und Migranten Dienste und Einrichtungen der Altenhilfe und Pflege weniger oft in Anspruch nehmen als Gleichaltrige ohne Migrationshintergrund.

Mehr als Sprachbarrieren

Das liegt auch an sprachlichen Barrieren und mangelnder Information über die Angebote. „Natürlich gibt es Besonderheiten aufgrund kultureller Gepflogenheiten und der Religion. Ich habe aber die Erfahrung gemacht, dass beide Seiten sehr voneinander lernen und ihren Horizont erweitern können“, schildert Jasmina Pipic ihre Eindrücke.

Menschen aus 16 Nationen

So leben und arbeiten im Haus Leonore Menschen aus 16 verschiedenen Nationen – von Griechenland über Syrien bis  Vietnam. Nicht nur im Haus Leonore arbeiten und leben viele Menschen unterschiedlicher Herkunft und mit unterschiedlichen Glaubensrichtungen. Auch in den 16 anderen Hauptstadtpflege Häusern ist die Belegschaft heterogen. Besonders vor dem Hintergrund des Fachkräftemangels ist Vivantes auf Fachkräfte aus dem Ausland angewiesen. Im Vergleich zu den 2000er-Jahren haben auch die Bewohnerinnen und Bewohnern heute viel häufiger einen Migrationshintergrund.

Kannst Du mich verstehen?

Wichtig im Alltag sei der gegenseitige Respekt und die Kenntnis über Sitten und Bräuche, so Pipic. Insbesondere die Sprachbarrieren können die Pflege erschweren. Aus diesem Grund versuchen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter stets mit Übersetzungen zur Seite zu stehen.

Ob bei der Kommunikation mit Familienangehörigen oder in der Abstimmung mit dem Pflegepersonal – die Verständigung ist nicht immer einfach. So kommt auch der nonverbalen Kommunikation eine wichtige Rolle zu, wie Jasmina Pipic betont: „Wenn wir bosnische Bewohnerinnen oder Bewohner haben, unterstütze auch ich gerne und übersetze. Häufig helfen aber auch Gestik oder Zeichnungen bei der Verständigung.“ Im Haus Leonore hilft es enorm, dass dort selbst viele Menschen mit Migrationshintergrund arbeiten. Denn diese können sich gut in die Situation der Bewohnerinnen und Bewohner hineinversetzen und agieren sensibel.

Eine besondere Herausforderung ist auch die Pflege während wichtiger religiöser Feiertage oder Zeiträume, wie zum Beispiel dem Ramadan. Im Haus Leonore arbeiten selbst mehrere Moslems, sodass besondere Rücksicht und Verständnis für die Situation von muslimischen Bewohnerinnen und Bewohnern während der Fastenzeit gewährleistet wird. So gibt es spezielle Essenszeiten und auch die Auswahl der Speisen wird der Glaubensrichtung angepasst. Eines ist für Jasmina Pipic jedoch klar: „Kultursensible Pflege, egal ob im Haus Leonore oder anderswo, kann nur als wechselseitiger Lernprozess erfolgreich sein!“ š

Was bedeutet kultursensible Pflege?

Kultursensible Pflege soll die spezifischen Bedürfnisse von Menschen mit Migrationshintergrund oder Minderheiten sichtbar machen. Ihnen soll ein gleichberechtigter Zugang zur Pflege ermöglicht werden. Durch die Kenntnis und Wertschätzung kultureller Unterschiede – sowohl aufseiten der Pflegefachkräfte als auch der Pflegebedürftigen – wird im Sinne der kultursensiblen Pflege die Pflegebeziehung verbessert. Auch die interkulturelle Kompetenz aller Beteiligten wird durch die kultursensible Pflege weiterentwickelt.


Wie kann kultursensible Pflege funktionieren?

Neben der Kenntnis von Gebräuchen und kulturellen Besonderheiten der Bewohnerinnen und Bewohner könnenim Alltag Piktogramme sowie Wort- und Bildkarten helfen, die wichtigen Begriffe der Pflege anschaulich darzustellen.


Was bietet die Vivantes Hauptstadtpflege an?

Für Pflegefachkräfte, Pflegekräfte und Betreuungsassistentinnen und -assistenten gibt es die Fortbildung „Kultursensible Pflege“. Der nächste Termin findet am 09. September 2020 statt, wenn die Pandemielage dies zulässt.


Über die Vivantes Hauptstadtpflege

In den 17 Vivantes Hauptstadtpflege Häusern finden Seniorinnen und Senioren ein umsorgtes Zuhause. Mehr als 1.800 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sorgen dafür, dass sie sich bei uns sicher und geborgen fühlen können. Mit insgesamt 2.217 Pflegeplätzen ist die Vivantes Hauptstadtpflege Berlins größter Anbieter stationärer Pflege. Die Vivantes Hauptstadtpflege hat es sich zur Aufgabe gemacht, älteren Bürgerinnen und Bürgern eine hochwertige stationäre Pflege und Betreuung zu bieten. Spezialisiert ist die Vivantes Hauptstadtpflege auf den kontinuierlichen Ausbau bedarfsgerechter Betreuungsangebote mit hohem Leistungs- und Qualitätsniveau. Im Sinne einer ganzheitlichen Betreuung von Senior*innen bilden die Einrichtungen von der persönlichen Beratung der Kunden*innen und Angehörigen über eine umfassende Altenfürsorge bis zur medizinischen Behandlung das gesamte Spektrum der pflegerischen und geriatrischen Dienstleistungen ab.


Dieser Artikel ist auch erschienen im Vivantes Hauptstadtpflege Magazin „meine Hauptstadtpflege“, Ausgabe 22 vom April 2020.


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