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Tierische Therapeuten im Hospiz: Da steht ein Lama auf dem Flur

Das Lama Fontano und das Alpaka Mundo trippeln über den langen Flur im Vivantes Hospiz. Sie kennen sich aus. Heute besuchen sie wieder schwerstkranke Patientinnen und Patienten, die sich schon auf die tiergestützte Therapie freuen. Die sanftmütigen Tiere kommen alle zwei Wochen ins Vivantes Hospiz, sie gehen in die Zimmer oder treffen die Patientinnen und Patienten im Garten oder auf der Terrasse.

Wenn das Lama leise summt, fangen Patienten an zu reden

Draußen treffen Fontano und Mundo Gelinde Meyer (Name geändert) im Rollstuhl. Sie ist unheilbar an Krebs erkrankt. Sie umarmt Fontano und kuschelt sich in das weiche Fell des langen Lama-Halses. Fontano hält ganz still und summt vor Wohlbehagen. Frau Meyer singt leise mit. Dann füttert sie die Tiere mit Heu. Die alte Dame fängt an zu erzählen – von ihren Urlauben in den Alpen, denn da hat es auch so schön nach Heu gerochen, von ihren Haustieren, von den Enkelkindern, von ihren Ängsten und Sorgen vor dem, was kommt. 

Fontano und Mundo sind gute Zuhörer. Die Tiere kommen natürlich nicht ganz allein zu den Hospiz-Patient*innen, sondern zusammen mit anderen Lamas und Alpakas und mit Olga Weinert, der Therapeutin und Fachkraft für ganzheitliche tiergestützte Intervention vom Lamazentrum Berlin-Brandenburg aus Stahnsdorf.

Von der Idee zur beliebten Therapie

Die Idee, Lamas und Alpakas ins Hospiz zu holen, hatte die Stellvertretende Hospiz-und Pflegedienstleitung des Vivantes Hospiz, Dagmar Nitsche (Ansprechpartner | Vivantes Hospiz ). Sie berichtet, wie gut das angekommen ist:  

Frau Nitsche, eine Therapie mit Lamas und Alpakas für Patient*innen – wie kann man sich das im Hospiz vorstellen?

Dagmar Nitsche:„Wenn die Tiere zu unseren Patient*innen kommen, reicht es manchmal schon, wenn sie sie nur angucken oder streicheln können. Es darf natürlich auch gekuschelt werden. Das ist schön besonders für Menschen, die manchmal ansonsten wenig Nähe und Berührungen erfahren. Was dann oft passiert: Auch Patient*innen, die sonst wenig oder auch gar nicht reden, fangen auf einmal an, zu reden – das ist unglaublich. Sie erzählen ihre Gedanken tatsächlich dem Lama, weder der Lamatherapeutin noch uns als Pflegenden vertrauen sie sich an. Da geht es oft um Ängste und Nöte der schwerstkranken Menschen oder darum, worauf sie in ihrem Leben zurückblicken. Viele Patient*innen bauen eine Beziehung zu den Lamas und Alpakas auf, manchmal über Wochen, und sie freuen sich dann immer schon auf den nächsten Besuch.“

 

Den geliebten Menschen lächeln sehen

Welche Wirkung haben die Tiere auf die Menschen?

Dagmar Nitsche:Nach der Therapie sind die Patient*innen oft entspannter und gesprächiger. Sie sind auch abgelenkt von dem, was kommen wird. Es gibt auch noch ein anderes Thema außer Krankheit und Tod, über das sie sprechen und auch den An- und Zugehörigen berichten können. Viele An- und Zugehörige kommen auch zur Therapie, um ihre Liebsten noch einmal glücklich zu sehen. Manche Patient*innen haben lange nicht mehr gelächelt – und die Tiere bringen sie dazu.“

Ist die tiergestützte Therapie sehr gefragt und können auch Patient*innen teilhaben, die nicht mehr aufstehen können?

Dagmar Nitsche:„Ja, die Nachfrage ist sehr groß. Wir versuchen, jedem Patienten die Möglichkeit zu geben, an der Lamatherapie mitzumachen. Die Tiere kommen in die Zimmer oder wer möchte kann sie im Garten oder auf der Terrasse treffen. Bei schönem Wetter bringen wir Patient*innen auch im Bett auf die Terrasse, wenn sie nicht mehr aufstehen können. Auch die Angehörigen haben die Chance, die Lamas kennenzulernen und teilzuhaben. Das ist für die Familien und engen Vertrauten auch ein Highlight, den geliebten Menschen mit den Tieren zu erleben.“

Seit wann gibt es die Lama-Therapie und wie sind Sie darauf gekommen?

Dagmar Nitsche:„Das ist ein bisschen ungewöhnlich: Ich habe oft Reiseberichte im Fernsehen über Alpakas gesehen und mich für die Tiere sehr interessiert. Vor allen Dingen aber habe ich mich gefragt, wie es wohl ist, sie anzufassen. Und ich wusste, dass sie summen können und einen besonderen Zugang zu Menschen haben. Ich habe dann einfach mal die Idee im Hospiz vorgebracht, Alpakas und Lamas herzuholen – und wurde zunächst belächelt. Aber mir wurde dann gesagt, weil ich nicht locker lies: Wenn Du jemanden findest, dann hol ihn doch her. Es war tatsächlich gar nicht so einfach, ausgebildete Lamas und Alpakas samt Therapeut*in davon zu überzeugen, in ein Hospiz für eine Therapie zu kommen. Aber mit Olga Weinert vom Lamazentrum Berlin-Brandenburg hat es sofort gepasst. Nun können wir bereits seit zwei Jahren diese besondere Therapie anbieten. Damals waren wir das erste Hospiz, das dies machte.“

Können Sie uns von einem Erlebnis mit den Vierbeinern erzählen?

Dagmar Nitsche: „Ganz am Anfang, da war es noch nicht so bekannt, dass Lamas unser Hospiz besuchen, hat ein Sohn einer Patientin mich besorgt angesprochen: Mit seiner Mutter würde etwas nicht stimmen, ob wir ihr andere Medikamente geben würden, denn sie habe ein Lama im Zimmer gesehen. Ich konnte ihn aufklären, dass das tatsächlich stimmte – und wir haben sehr gelacht. Es gibt ganz viele, sehr rührende und emotionale Erlebnisse mit den Alpakas und Lamas.“

Spenden für besondere Therapien fehlen

Das Hospiz muss sich zu 5 % aus Spenden finanzieren und auch die Therapie aus Spenden bezahlen. Gibt es genug Spenden?

Dagmar Nitsche:„Leider nicht. Die Spendenbereitschaft ist dieses Jahr stark zurückgegangen. Das ist ein zusätzliches Angebot, das wir ausschließlich über Spenden finanzieren. Daher freuen wir uns über jeden, der etwas dazugibt, um dieses bereichernde Therapie zu erhalten. Wir sammeln Spenden über unsere Webseite und ein Portal namens betterplace: Spenden | Vivantes Hospiz

Mehr zum Vivantes Hospiz und den tierischen Therapeuten

In der Tempelhofer Einrichtung verbringen bis zu 16 Patient*innen ihr Lebensende. Das Vivantes Hospiz in Berlin-Tempelhof bietet schwerstkranken und sterbenden Menschen an ihrem Lebensende eine palliative, pflegerische und medizinische Versorgung. Unser multiprofessionelles Team und ehrenamtlich Tätige stellen eine 24-Stunden-Versorgung für Patientinnen und Patienten sowie deren An- und Zugehörige sicher. Im Vordergrund steht die Symptomlinderung, Zuwendung und psychosoziale Betreuung unter Berücksichtigung der Lebensqualität.

Auch Spenden für Yogatherapie und Aromapflege werden gebraucht: 

Yoga Therapie im Hospiz – Vivantes Hospiz gGmbH – betterplace.org

Aromapflege im Hospiz – Vivantes Hospiz gGmbH – betterplace.org

Warum Lamas und Alpakas Menschen guttun

Aufgrund ihres natürlichen Herdenverhaltens sind Lamas und Alpakas zurückhaltend-freundliche und den Menschen wohlwollend respektierende Tiere. Sie haben eine ehrliche Neugier auf jeden Menschen und lassen sich gerne auf jeden Menschen ein. Deshalb eigenen sie sich hervorragend als Therapie-Tier und Partner für psychische Störungen und für Erfahrungen der Selbsterkenntnis und inneren Achtsamkeit. Das Lama stellt sich mit seiner großen emotionalen Projektionsfläche vorbehaltlos und ohne Wertung zur Verfügung. Das freundliche Wesen und der zugewandte Kontakt mit dem Therapiepartner Tier lässt einen heilsamen therapeutischen Prozess entstehen.

Lamas beißen nicht, treten nicht und spucken bei artgerechter Aufzucht und tiergerechter Erziehung nicht auf den Menschen. Das weiche, kuschelige Fell und die großen, wissenden Augen machen sie zu liebenswerten Sympathieträgern, die einem Katalysator ähnlich therapeutische Prozesse unterstützen, beschleunigen oder bereichern.

Mehr: Lamazentrum Berlin-Brandenburg - Therapie (lamazentrum-bb.de)