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Neue Weiterbildung für Pflege – warum Ernährung der Patient*innen den Unterschied macht

Welche Patient*innen sollten lieber keinen Spargel essen? Wem hilft vor der OP ein Zuckergetränk? Warum die Ernährung für die Pflege von Patientinnen und Patienten einen Unterschied macht, erzählt Sabine Haferkorn, Stationspflegeleitung im Vivantes Klinikum Spandau.

Die richtige Ernährung im Akutkrankenhaus z.B. vor und nach Operationen, kann Komplikationen verhindern, Nebenwirkungen reduzieren und die Mortalität senken. Das haben Studien gezeigt und für die Umsetzung bei Vivantes setzt sich das Vivantes Zentrum für Ernährungsmedizin ein. Die Leiterin Prof. Dr. Diana Rubin hat nun über die Deutsche Gesellschaft für Ernährungsmedizin (DGEM) eine Weiterbildung für Pflegekräfte entwickelt, damit sie die Ernährungsmedizin im Rahmen eines strukturierten Ernährungsmanagements in ihrer täglichen Arbeit einsetzen können. Sabine Haferkorn, Stationspflegeleitung im Vivantes Klinikum Spandau hat die erste Weiterbildung bei Vivantes besucht.

Den Ernährungszustand schnell erkennen

Frau Haferkorn, bisher wurden durch die Fachgesellschaft für Ernährungsmedizin nur Curricula für Ärzt*innen und MFA angeboten, sie gehören zu den ersten, die in der Pflege zur Fachexpertin Ernährungsmanagement in der Pflege (DGEM) weitergebildet  werden…

Sabine Haferkorn: Richtig, das ist auch wichtig, denn wir sind die Schnittstelle, wir sehen die Patient*innen als erste und können so schnell erkennen, in welchem Ernährungszustand sie in die Klinik kommen. Wir wiegen und messen sie und erstellen bei der Aufnahme ein sogenanntes Nutritional Risk Screening (NRS). So sehen wir sofort, ob Patient*innen ein Ernährungsrisiko haben, weil Sie Gewicht verloren oder zu wenig gegessen haben. In diesem Fall ziehen wir das Zentrum für Ernährungsmedizin und Diabetologie hinzu (ZEM), das dann nach weiterer Beurteilung der Patient*innen Empfehlungen gibt, die wir gemeinsam umsetzen

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Unser Körper braucht zur Regeneration und zur Wundheilung ausreichend Nährstoffe - und vor allem Eiweiß.

Chefärztin und Leiterin Vivantes Zentrum für Ernährungsmedizin - sie hat die Weiterbildung für Pflege für die Fachgesellschaft entwickeltProf. Dr. Diana Rubin

Stehen die Mangelerscheinungen in Zusammenhang mit den Erkrankungen?

Haferkorn: Ja, schon. Bei einem Verwachsungsbauch beispielsweise, also Narben im Inneren des Bauchraums, haben Patient*innen manchmal Verdauungsprobleme, sollten dann etwa auf Spargel verzichten, um einer Verstopfung oder Koliken vorzubeugen. Oder Menschen, die nur noch zwei Drittel ihres Magens haben, sollten weniger und häufiger essen. Wenn jemand vor der OP nüchtern bleiben muss, hilft ein Zuckergetränk und wir merken sofort, die Betroffenen sind beruhigter und trocknen nicht so leicht aus. Für jedes Krankheitsbild gibt es Empfehlungen, die wir natürlich individuell anpassen.

Sie selbst arbeiten auf einer Palliativstation. Spielt auch dort die Ernährung eine Rolle?

Haferkorn: Überall – auch unabhängig von der Vorbereitung auf eine OP – können wir unsere Patient*innen durch eine individuell eingestellte Ernährung stabilisieren, ihre Nebenwirkungen lindern, damit sie sich insgesamt besser fühlen, oder mehr Appetit entwickeln und mit Freude essen. Mancher kann sich nicht vorstellen, dass Menschen mit Adipositas an Mangelernährung leiden – aber auch hier kann es an Ausgewogenheit fehlen.

"Wir können in der Pflege eine wichtige Rolle im Ernährungsmanagement übernehmen"

Was haben Sie aus der Weiterbildung mitgenommen, können Sie sie weiterempfehlen?

Haferkorn: Unbedingt – die fünf Tage waren hoch spannend. Nur durch das angeeignete Wissen können wir verstehen, warum Ernährung einen Unterschied macht, das NRS so wichtig ist und es in unserer täglichen Arbeit auch aktiv anwenden und eine wichtige Rolle im Ernährungsmanagement übernehmen. Ich hoffe, diese Chance haben bald auch Kolleg*innen an anderen Standorten.

Hintergründe

Ernährungsmedizin ist Teamarbeit. Daher hat das Vivantes Zentrum für Ernährungsmedizin und Diabetologie sich zum Ziel gesetzt, Pflegekräfte im Bereich Ernährung zu sensibilisieren und weiterzubilden. Zu den spezialisierten Teams des Vivantes Zentrum für Ernährungsmedizin gehören künftig auch Kolleg*innen aus dem Pflegebereich, die als Multiplikatoren auf den jeweiligen Stationen tätig sind.

Das strukturierte Curriculum, über das nach 100 Stunden Weiterbildung ein deutschlandweit anerkanntes Zertifikat der Deutschen Gesellschaft für Ernährungsmedizin (DGEM) erworben werden kann, wurde bisher nur an zwei Standorten in Deutschland angeboten, keine Klinik deutschlandweit hat bisher systematisch Pflegekräfte aller Stationen geschult.  

Deutschlandweit gibt es bisher nur an ca. zwei Prozent der Akutkliniken Ernährungsteams und die wenigsten Klinika beschäftigen Fachexpert*innen für Ernährungsmedizin in der Pflege.

Studie

Die Schweizer EFFORT-Studie von 2019 zeigt, dass die Einbindung der Ernährungsmedizin in Akutkliniken die Mortalität der internistischen Patient*innen und die Komplikationsrate um 20 Prozent senkt EFFORT II-Studie - Universitätsklinik für Diabetologie, Endokrinologie, Ernährungsmedizin & Metabolismus (UDEM) (insel.ch)