Traumberuf Therapiehund: So kam Lucy zu ihrem Job

Frau Grande, wie lange arbeiten Sie schon mit Lucy zusammen?
Sie kam direkt als Welpe zu mir mit 10 Wochen, das war im August 2022. Nachdem ich selbst 2019 meine Ausbildung als Gesundheits- und Krankenpflegerin abgeschlossen und ein Jahr lang Berufserfahrungen gesammelt hatte, machte ich die Fachweiterbildung für tiergestützte Intervention.
Sie ist ein holländischer Schäferhund, ist das eine typische Rasse für Therapiehunde?
Nein, holländische Schäferhunde arbeiten oft im Schutzdienst, bei der Polizei, oder als Allrounder. Typischer wären Labrador oder Großpudel in Kliniken. Die sind besonders gutmütig, aber ein Grund ist auch, dass sie Haare und kein Fell haben und Allergien daher kein Thema sind. Theoretisch könnte jeder Hund eine Ausbildung machen, auch Dobermann oder Rotweiler. Entscheidend ist der Charakter des Tieres der sollte freundlich und aufgeschlossen gegenüber Menschen sein.
Wie sollte der Charakter sein?
Ein Therapiehund sollte natürlich menschenbezogen sein, kein Angsthund, nicht aggressiv. Das alles bringt Lucy mit. Sie ist offen, mutig, manchmal sogar witzig. Wie sie guckt, wenn sie zum Beispiel mit dem Stock spielen will oder Patient*innen auffordert sie zu streicheln, indem sie sich an ihre Beine lehnt. Es ist gut, wenn der Hund einen „Will to Please“ mitbringt.
Wie wurde sie ausgebildet?
Ich habe sie selbst erzogen nach dem Standard der Ausbildung. Außerdem waren wir regelmäßig in der Hundeschule und haben diverse Seminare belegt. Sie kennt die Grundkommandos wie „Sitz“, „Platz“, „komm“, „Fußlaufen“. Die Ausbildung zur Therapiehündin dauerte 15 Monate und man hat ein Wochenende im Monat das sich aus praktischen Übungen und Theorie zusammensetzt. Am Ende gab es eine schriftliche Prüfung für mich und eine Praktische mit uns beiden. Neben dem Grundgehorsam – zum Beispiel muss sie auf ihrer Decke bleiben, wenn ich den Raum verlasse – gab es ein „medical training“. Lucy musste zulassen, dass ihre Ohren, Zähne und Pfoten kontrolliert werden und sich anfassen lassen. Dann gab es einen Prüfungsteil, in dem sie sich gegenüber Menschen mit Rollator, oder Gehstützen gelassen und souverän zeigen soll.
Und wie läuft die Therapie mit Patient*innen dann ganz praktisch ab?
Es gibt hier in der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie eine Gruppentherapie mit sechs bis sieben Patient*innen, die unterschiedlich lang dauern kann. Dabei geht es um die Interaktion zwischen Menschen und Tier. Es gibt verschiedene Methoden: Die Methode der freien Begegnung (beispielsweise in der freien Natur), die Hort Methode (Begegnung im begrenzten Raum mit Rückzugsmöglichkeiten), die Brückenmethode (getrennt durch einen Gegenstand z.B. Leine, Kochlöffel, Targetstab), die Präsenzmethode (Tier und Mensch sind unmittelbar beieinander), die Methode der Integration (eine begrenzte und gelenkte Therapieeinheit (Tier als Hilfsmittel). Wichtig ist, dass niemand überfordert wird – auch nicht Lucy.

Wie zeigt sich das?
Wenn es ihr zu viel wird, merkt man das an der Körpersprache und sogenannten Beschwichtigungssignalen. Sie hechelt, legt die Ohren an, fiddelt mit dem Schwanz, oder trinkt schnell und viel. Mich erinnert es ein bisschen an ein Kind, das nicht schlafen möchte, obwohl es müde ist. Daher ist es wichtig, dass sie jederzeit in ihre Box gehen kann, um eine Pause zu machen und auch während der Therapie einen Rückzugsraum zu haben. Lucy ist zwar meine Co-Therapeutin, aber natürlich gibt auch für die Patient*innen Umgangsregeln. Sie darf nicht festgehalten werden und kann auch selbst „Stopp“ sagen. Bzw. muss sie sich nicht von jedem anfassen lassen oder darf auch mal bellen oder sogar knurren, denn das ist Kommunikation. Dies muss aber natürlich gut gemanagt werden und man sollte sich dann genau die Situation ansehen.
Welches Ziel hat die tiergestützte Therapie?
Aus meiner Sicht ist Lucy eine Motivationstrainerin. Sie fördert die Konzentration der Patient*innen und hilft dabei, die Motorik zu verbessern. Daneben geht es darum, Stress und Ängste abzubauen, von Schmerzen abzulenken. Grenzen setzen und erkennen, Förderung der Achtsamkeit, Selbstwirksamkeit, nonverbale und verbale Körpersprache verbessern. Letztlich lernen Patient*innen durch die Interaktion auch Verantwortung zu übernehmen. Die Therapie dauert bis zu drei Monate, im Einzelfall auch mal etwas länger. In dieser Zeit kommen sich Mensch und Tier schon näher.
Wie wird die Therapie angenommen?
Insgesamt bekomme ich sehr positives Feedback. Bemerkenswert ist auch, dass Patient*innen, denen die Therapie im Vorfeld zu lang erscheint, sich darauf einlassen und von sich aus länger dabeibleiben wollen. Oder sich ein Patient, der Lucy aus dem Weg geht später bei mir erkundigt, wie es ihr geht. Aber es gibt natürlich auch Patienten, die schlechte Erfahrungen mit Hunden gemacht haben, oder sogar traumatisiert sind und dann nicht an der tiergestützten Therapie teilnehmen möchten.