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Ästhetische Medizin: Boom durch Zoom

Mit der Pandemie steigt die Zahl ästhetischer Eingriffe: Die vielen langen Videocalls machen vermeintliche Makel offensichtlich, die soziale Distanz hilft, OPs unbemerkt verheilen zu lassen.

Die Falten und das Zoom-Kinn

Wo kommen diese Falten her? Waren die immer so tief? Und erst die Wangen – die hängen doch! Das Doppelkinn sieht auch entsetzlich aus.Die Kritik am eigenen Gesicht hat zugenommen. Dazu tragen die inzwischen alltäglichen Videokonferenzen bei, bei denen man nicht nur in das Gesicht des Gegenübers schaut, sondern auch ins eigene, und das viel intensiver als am Morgen vor dem Spiegel.

Auch bietet die Kamera am Rechner oder Laptop mit eher ungünstiger Perspektive von unten allen mutmaßlichen Schönheitsfehlern eine besonders große Bühne. Dieses Phänomen hat inzwischen sogar einen Namen: das „Zoom-Kinn“, benannt nach einem viel genutzten Tool für Videokonferenzen.
 

Für die Schönheit: 10 bis 15 Prozent mehr Eingriffe

Für nicht wenige sind solche Eindrücke und Gedanken Anlass, einen ästhetischen Eingriff vornehmen zu lassen: Botox-Behandlungen oder Faltenunterspritzungen stehen hoch im Kurs, die Schönheitschirurginnen und -chirurgen freuen sich über den kleinen Boom in puncto Ästhetik und die daraus resultierenden zusätzlichen Einnahmen. Lukas Prantl, Präsident der Deutschen Gesellschaft der Plastischen, Rekonstruktiven und Ästhetischen Chirurgen (DGPRÄC), schätzt, dass die Zahl vor allem kleinerer Eingriffe im Gesicht in der Coronazeit um rund 15 Prozent gestiegen ist. Unter anderem sei die Straffung der Oberlideroder des Halses stark nachgefragt. Auch von einem höheren Bedarf an Fettabsaugungen wird berichtet – vielleicht eine Folge der Gewichtszunahme, mit der viele in der kontaktbeschränkten Zeit zu kämpfen haben. Und: Die Klientel wird jünger, viele Erwachsene unter 40 Jahren suchen die Beauty-Praxen auf.

Viele Menschen haben in der Pandemie mehr Zeit, sich mit ihrem äußeren Erscheinungsbild zu beschäftigen und ein neues Körperbewusstsein zu entwickeln.

Kommissarische Chefärztin der Klinik für Plastische, Rekonstruktive und Ästhetische Chirurgie im Vivantes Klinikum im FriedrichshainDr. Katja Knoll

„Viele Menschen haben in der Pandemie mehr Zeit, sich mit ihrem äußeren Erscheinungsbild zu beschäftigen und ein neues Körperbewusstsein zu entwickeln.“ Katja Knoll, Kommissarische Chefärztin der Klinik für Plastische, Rekonstruktive und Ästhetische Chirurgie im Vivantes Klinikum im Friedrichshain.

„Auch wir sehen in unserer ambulanten Sprechstunde eine gestiegene Nachfrage nach ästhetischen Eingriffen“, sagt Katja Knoll, Kommissarische Chefärztin der Klinik für Plastische, Rekonstruktive und Ästhetische Chirurgie  und des Zentrums für Wundmedizin des Vivantes Klinikum im Friedrichshain. „Viele Menschen haben in der Pandemie mehr Zeit, sich mit ihrem äußeren Erscheinungsbild zu beschäftigen, und ein neues Körperbewusstsein entwickelt. In einer vertrauensvollen Atmosphäre besprechen wir die individuelle wunschorientierte Situation, um gemeinsam eine individualisierte Behandlungsstrategie zu planen.“

Warum Sehnsucht nach äußerlichen Veränderungen wächst

Neben den Zoom-Konferenzen führt auch das Mehr an Zeit für sich selbst zu einer Auseinandersetzung mit dem eigenen Ich und stärkt die Sehnsucht nach äußerlichen Veränderungen: ein paar Kilo abnehmen, sich mehr bewegen, jünger aussehen. Auch diejenigen, die bereits länger einen ästhetischen Eingriff geplant hatten, nutzen den deutlich leereren Terminkalender dafür. Nicht selten sind nach einem solchen Eingriff Verbände oder Kompressionswäsche zu tragen, Blutergüsse und Wunden müssen abheilen. Im Homeoffice lässt sich das leichter verbergen, und dort kann man die nötige Erholung nach einer OP leichter umsetzen – ohne extra Urlaub zu nehmen. Denn wer sich einem ästhetischen Eingriff unterzieht, der nicht medizinisch induziert ist, bekommt dafür keine Krankschreibung.
 

Immer noch ein Tabuthema

Die Zahl derer, die sich zu einem Eingriff entschließen, nimmt stetig zu, und eine große Anzahl Prominenter beansprucht seit geraumer Zeit ganz offensichtlich die Hilfe der ästhetischen Chirurgie – trotzdem stehen die wenigsten offen zu einer korrigierenden Operation. So kursieren weiter die Gerüchte: „Die hat doch bestimmt auch etwas machen lassen, oder?“

 

Der Artikel ist auch im Vivantes Magazin gesund!, Ausgabe 1/2022 erschienen.
 

Fotos: Header - B Boissonnet BSIP; Porträt Dr. Knoll - Vivantes /Wolfgang Popp; Zoom - unsplash.com; Beratung - Gorodenkoff Productions

Kein Register – keine Statistik

Es gibt in Deutschland kein zentrales Register, das die Zahl der Schönheitsoperationen erfasst. Doch viele Fachärztinnen und Fachärzte für plastische Chirurgie berichten von mehr Patientinnen und Patienten – vor allem von Frauen. Etwa 10 bis 15 Prozent der Behandlungen werden an Männern vorgenommen – die Tendenz ist allerdings steigend.


Umfrage: Ästhetik als Grund für OP


Bei einer aktuellen Umfrage des Online-Portals Statista nannten 57,5 Prozent als Grund für eine Schönheits-OP, dass sie einen ästhetischen Makel reduzieren wollen, 37,9 Prozent wollen ihr Selbstwertgefühl verbessern, 21,7 Prozent (wieder) dem eigenen Schönheitsideal entsprechen und 12,1 Prozent gesundheitliche Beschwerden lindern.
 

 
Klinik für Plastische, Rekonstruktive und Ästhetische Chirurgie im Vivantes Klinikum im Friedrichshain
030 130 23 1834