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Antibiotika-Resistenzen: Wie sie entstehen und wie sie sich vermeiden lassen

Antibiotika-Resistenzen nehmen weltweit zu. Laut WHO gab es schon vor fünf Jahren weltweit deutlich über eine Million Todesfälle pro Jahr direkt durch Antibiotika-Resistenz. Hinzu kamen jährlich rund fünf Millionen Todesfälle, bei denen eine Antibiotika-Resistenz beim Krankheitsverlauf eine Rolle spielte. Die Zahlen steigen nach wie vor. Wie dieser Trend aufzuhalten ist und welche Relevanz das Thema für jeden Einzelnen hat, erklärt Dr. Martin Franz, Antibiotika-Experte und Chefarzt der Anästhesie, Intensivmedizin und Schmerztherapie am Vivantes Klinikum Kaulsdorf.

Herr Dr. Franz, was genau sind Antibiotika-Resistenzen?

Vereinfacht gesagt werden mit Antibiotika Bakterien bekämpft, die sich gegen das Medikament allerdings wehren. In der Folge sterben einige Bakterien, einige aber nicht. Die Überlebenden haben nun gelernt, mit dem Antibiotikum fertig zu werden – sie sind resistent.

Wodurch werden diese Resistenzen begünstigt?

Der unsachgemäße Gebrauch spielt eine entscheidende Rolle. Antibiotika werden oft zu lange gegeben, in falscher Dosierung und nicht gezielt genug. So trainieren wir die Bakterien, sich erfolgreich gegen Antibiotika zu wehren und züchten regelrecht Resistenzen heran.

Wie kann man sich diese Abwehr vorstellen?

Da gibt es verschiedene Mechanismen. Bei der so genannten Effluxpumpe funktioniert es beispielsweise so: Eine Substanz, in diesem Fall das Antibiotikum, dringt in das Bakterium ein, wird aber gleich wieder nach draußen befördert. Eine andere Variante ist der Porinverlust: Das Antibiotikum will in das Bakterium eindringen, kann aber nicht, weil an der Zellwand die Poren nicht mehr vorhanden sind. Das Bakterium hat quasi die Eingangstür ausgebaut. Es gibt auch Enzyme, die die Antibiotika kaputt machen, sie zerschneiden. Das sind drei typische Beispiele, wie Bakterien ihre Resistenz gegenüber Antibiotika erlangen.

Wie gefährlich sind Antibiotika-Resistenzen für den Menschen?

Besonders gefährdet sind vulnerable Gruppen wie alte Menschen, vor allem Menschen, die im Pflegeheim wohnen. Dort sind sie von Natur aus mehr Bakterien ausgesetzt, was mehr Behandlungen und dann wieder mehr Resistenzen zur Folge hat. Das gilt ganz allgemein für Gemeinschaftsunterkünfte. Ein erhöhtes Risiko gilt auch für manche Fernreisen und Rückkehrer aus Regionen wie Osteuropa, Nordafrika und Indien, wo die Antibiotika-Resistenzen besonders hoch sind.

Welche Rolle spielen Antibiotika-Rückstände in Lebensmitteln, beispielsweise im Trinkwasser oder im Fleisch?

In Regionen, wo Antibiotika hergestellt werden, sind Rückstände im Wasser tatsächlich ein Problem, bei uns nicht. Worum wir uns kümmern müssen, ist die Tierhaltung. Da werden Antibiotika tonnenweise gegeben. Das Problem mit Blick auf entstehende Resistenzen ist Folgendes: Wenn wir Fleisch essen, kommen unsere Bakterien mit Antibiotika in geringer Dosierung in Kontakt – ohne daran kaputt zu gehen. So können die Bakterien die Abwehr trainieren, also Resistenzen aufbauen. Ich persönlich habe meinen Fleischkonsum auch aus diesem Grund reduziert.

Abgesehen vom reduzierten Fleischkonsum, was kann jeder Einzelne zur Vermeidung von Antibiotika-Resistenzen noch tun?

Am besten ist es natürlich, wenn sich die Übertragung von bakteriellen Infektionen ganz vermeiden lässt. Das fängt mit der richtigen Alltags-Hygiene an. Also Hände korrekt waschen, in die Ellenbeuge husten und so weiter. Und dann sollte sich jeder, der sich mit einer Erkältung rumschlägt, bewusst machen: Husten, Schnupfen, Heiserkeit wird meistens durch Viren verursacht. Der Gedanke, "ich gehe mal zur Ärztin oder zum Arzt, damit sie/er mir ein Antibiotikum verschreibt", hilft hier nicht weiter. Da ist ein Antibiotikum wirkungslos. Es ist wirklich wichtig, Antibiotika nur zielgerichtet einzusetzen. Da stehen auch wir Mediziner*innen in der Verantwortung. In den Vivantes Kliniken finden neben Fortbildungsprogrammen beispielsweise auch spezielle Antibiotikaberatungen durch das Team der Infektiologie statt.

 

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