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In der Rettungsstelle: Wer ist hier richtig und wie läuft es in der Notaufnahme wirklich ab?

Rettungsstellen versorgen Menschen in medizinischen Notfällen – professionell und schnell. Wann man ein Fall für die Notausnahme ist und was an Krankenhausserien unrealistisch ist, erklärt eine Rettungsstellen-Chefärztin.

Frau Dr. von Arnim, wann ist man als Patientin oder Patient richtig in der Notaufnahme?

Ulrike von Arnim: „Das ist für eine Patientin oder einen Patienten gar nicht leicht zu entscheiden. Grundsätzlich gilt: Wenn Angehörige, ein Patient oder eine Patientin selbst das Gefühl haben, dass sie einer dringenden Hilfe bedürfen – also unverzüglich medizinische oder pflegerische Betreuung geleistet werden muss. Die Betonung liegt hier auf dringend und unverzüglich. Wenn es nur darum geht, einmal „etwas abklären zu lassen“, dann sind niedergelassene Kolleginnen und Kollegen zuständig. Für die ambulante Notfallversorgung gibt es ein gutes Netz. Die Kassenärztliche Vereinigung hält viele Angebote bereit, die außerhalb der Sprechzeiten geöffnet haben: ärztliche Bereitschaftspraxen oder sogar einen Hausbesuchsdienst.“

Wer zu Fuß in die Rettungsstelle kommt, gehört dort nicht hin. Stimmt das?

Ulrike von Arnim: „Das kann man so nicht sagen. Etwa jeden oder jede Sechste, der oder die noch gehen kann, nehmen wir stationär auf.“

Warum ist es wichtig, nur in Notfallsituationen in die Rettungsstelle zu kommen?

Ulrike von Arnim: "Wir haben unterschiedliche Zuständigkeitsbereiche in unserer Versorgungsstruktur für Notfälle: den Rettungsdienst, die Krankenhäuser und die Hausärzt*innen, welche die ärztlichen Bereitschaftspraxen besetzen. Personell sind wir in der Rettungsstelle für die sofortige Versorgung von Menschen aufgestellt – nicht etwa für eine Beratung zu Krankheitsbildern. Bei uns erhält man zum Beispiel auch kein Rezept und keine Krankschreibung. Insgesamt bitten wir um Nachsicht und Geduld, wenn die Wartezeit mal lang sein sollte… wir tun unser Bestes für jede und jeden, liebe Patientinnen und Patienten – das können Sie glauben!"

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Insgesamt bitten wir um Nachsicht und Geduld, wenn die Wartezeit in der Notaufnahme länger sein sollte… wir tun unser Bestes für jede und jeden, liebe Patientinnen und Patienten – das können Sie glauben!

Chefärztin, Rettungsstelle, Vivantes Klinikum NeuköllnDr. Ulrike von Arnim

Viele Menschen kennen Notaufnahmen nur aus Serien oder Filmen – sind die Menschen der Notaufnahme wirklich so wie in „Greys Anatomy“, „Emergency Room“ oder der neuen Serie „Krank Berlin“?

Ulrike von Arnim: "Ein ganz klares Ja und ein ganz klares Nein: Nein, was die Mitarbeitenden betrifft. Zynisch, erschöpft, abgegessen, abhängig oder chaotisch wie in der Serie Krank Berlin – so sind die Menschen, die in unserer Neuköllner Notaufnahme arbeiten, überhaupt nicht: Wir haben ein tolles, engagiertes Team. Wir sind zu unseren Patient*innen immer freundlich, zugewandt und kümmern uns gern um sie.  Alle, die in unserer Notaufnahme arbeiten, haben sich ihren Job bei uns ausgesucht und sie würden sofort anderswo eine Stelle finden, wenn sie wollten.

Ja, was die Vielfalt der behandelten Patient*innen betrifft. Es ist wirklich so, wie in den Serien dargestellt: die unterschiedlichsten Patient*innen mit den unterschiedlichsten Anliegen werden bei uns behandelt, vom von der Schaukel gefallenen Kleinkind bis zum Sterbenden, von Verkehrsunfall bis zur Erbse im Ohr, vom Obdachlosen bis zum Privatpatienten.   

Was mir übrigens auch auffällt in den Serien: Es dreht sich fast nur um Ärztinnen und Ärzte. Die Pflege spielt in der Serie „KRaNK“ fast überhaupt keine Rolle, aber bei uns in der Notaufnahme würde ohne die Pflege gar nichts laufen. In unserer Notaufnahme arbeiten 12 Berufsgruppen und wir sind ein Team, das auf Augenhöhe zusammenarbeitet."

Sind die Abläufe und medizinische Versorgung in einer Notaufnahme in einer Serie wie "Krank" denn realistisch?

Ulrike von Arnim: "Die Abläufe und die medizinische Behandlung sind tatsächlich etwas anders als in den meisten Serien. Es läuft viel geordneter und standardisierter. Auch und gerade, wenn es unübersichtlich zu werden droht.

In Krank Berlin etwa steigt die Chefärztin im Chaos durch einem Brand in einem Club in der Nähe der Notaufnahme irgendwann auf einen Stuhl und schreit „Darf ich mal um Aufmerksamkeit bitten?!“. Zu diesem Zeitpunkt ist im wahren Leben bei einem Massenanfall von Verletzten jeder bereits auf dem Posten. Das üben wir regelmäßig zusammen mit der zuständigen Senatsverwaltung und das klappt sehr gut."

 

Im Januar 2023 übernahm Dr. Ulrike von Arnim als Chefärztin die Leitung der Rettungsstelle im Vivantes Klinikum Neukölln. Dr. Ulrike von Arnim ist Fachärztin für Innere Medizin und Kardiologie mit der Zusatzbezeichnung Klinische Akut- und Notfallmedizin.

 
 
Richtige Anlaufstelle Rettungsstelle?

In lebensbedrohlichen Notfällen sollte man sofort den Rettungsdienst unter der Telefonnummer 112 alarmieren.

 

Notfallmedizin - wo jede Minute zählt

Verdacht auf Schlaganfall, tiefe Schnittwunden oder andere lebensbedrohliche Notfälle – akut erkrankte oder etwa verunfallte Menschen werden in Rettungsstellen versorgt. Notfall- und Akutmediziner*innen von Vivantes stehen dafür bereit.

Der Ansturm auf Rettungsstellen kann hoch und die Wartezeiten können lang sein. Immer wieder hört man von erhöhtem Patient*innenaufkommen, überlasteten Notaufnahmen. Ist viel los, steigt die Anspannung. Dazu kommt: Wer Schmerzen hat, ist nicht geduldig. Den Pflegenden begegnen zum Teil Aggressionen, manchmal wird geschimpft, gepöbelt und bedroht. Dabei behandeln Vivantes Mitarbeitende alle Patient*innen bestmöglich und möglichst schnell.

Damit dies gelingt, stufen speziell ausgebildete Fachkräfte nach Ankunft eines Patienten oder einer Patientin in der Rettungsstelle die Dringlichkeit der Behandlung nach dem Manchester-Triage-System ein (siehe Infokasten). Das heißt: In der Notaufnahme geht es nicht nach der Reihenfolge, in der die Menschen eintreffen – es geht um ihren Gesundheitszustand. Und: Lebensbedrohliche Notfälle haben immer Priorität.

 

Wartezeiten im Blick

Was in einer Rettungsstelle los ist, und wie sich die durchschnittliche Wartezeit gestaltet, zeigt etwa im Vivantes Klinikum im Friedrichshain ein Monitor an – bald sollen diese in allen Vivantes Rettungsstellen zur Verfügung stehen. Bei der Zeitangabe auf dem Monitor handelt es sich jedoch nur um einen Richtwert, der aufgrund unvorhersehbarer Ereignisse stark abweichen kann. Und werden Ärzt*innen anderer Fachrichtungen etwa aus der Neurochirurgie oder dem Bereich HNO hinzugezogen, kann sich die Wartezeit zusätzlich verlängern. Denn sie arbeiten zeitgleich auf den Stationen oder auch im OP.

Wer also nur leichte Beschwerden hat, wendet sich besser an den Hausarzt, die Hausärztin oder etwa an ärztliche Bereitschaftsdienste. Dort erhält man auch eine Krankschreibung oder ein Rezept. Rettungsstellen sind auf die medizinische Versorgung von Notfällen ausgerichtet, in denen eine umgehende Behandlung erforderlich ist.

Mehr zu Wartezeiten in der Rettungsstelle

Das Manchester-Triage-System

Wer ist wie schwer erkrankt oder verletzt? Für eine Ersteinschätzung wird das standardisierte und international anerkannte Verfahren „Manchester-Triage-System“ genutzt. Es hilft, schnell und sicher anhand von Symptomen festzulegen, wer Vorrang bei der Behandlung hat.

 

Diese Farben funktionieren als Leitsystem:

ROT Akut lebensbedrohliche Notfälle (Rettungswagen, Schockraum, Notarzt) – sie halten sich nicht im Wartezimmer auf.

ORANGE Sehr dringende Notfälle

GELB Dringende Notfälle

GRÜN Stabile, behandlungsbedürftige Fälle

BLAU Alle weiteren Fälle

 

Mehr Transparenz bei Wartezeiten: Dieses Projekt wird als Teil des Krankenhauszukunftsgesetzes von der Berliner Senatsverwaltung für Wissenschaft, Gesundheit, Pflege und Gleichstellung sowie von NextGenerationEU gefördert.

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