Wenn das Klinik-Team zur Schule und nach Hause kommt

Frau Dr. Teich-Belohradsky, was ist eine stationsäquivalente Behandlung, kurz StäB?
Stationsäquivalent bedeutet, dass die Intensität der medizinischen und therapeutischen Maßnahmen denen eines vollstationären Aufenthalts entspricht, ohne dass dafür das häusliche Umfeld verlassen werden muss. Studien belegen, dass dadurch die Akzeptanz und vor allem das Durchhalten der Behandlung erhöht werden können.
Das heißt, die Klinik kommt ins eigene Kinderzimmer?
Es findet an sieben Tagen pro Woche mindestens ein persönlicher Kontakt zu einem Mitglied des mobilen multiprofessionellen Behandlerteams statt – und zwar im Wohn- und Lebensumfeld der Patient*innen. Nur in Ausnahmefällen müssen die Patient*innen in die Klinik kommen. Bei uns ist das ein Mal in der Woche für ein gruppentherapeutisches Angebot der Fall.
Welche Professionen sind in einem solchen Behandlerteam vertreten?
Unser Team in Neukölln besteht aus Kolleg*innen des Pflege- und Erziehungsdiensts, Ärzt*innen, Psycholog*innen, dem Sozialdienst und Kreativtherapeut*innen, die Kunst- und Musiktherapie anbieten. Die Leitung übernehme aktuell ich, als Fachärztin für Kinder- und Jugendpsychiatrie.
Sie sagten, dass die Behandlung im Wohn- und Lebensumfeld stattfindet. Das geht also über das eigene Zuhause hinaus?
Ja, es geht weit über den klassischen Hausbesuch hinaus. Viele Kontakte finden auch im Lebensumfeld der Kinder und Jugendlichen statt. Dazu gehört beispielsweise die morgendliche Hilfestellung am Schultor bei Angstpatient*innen, die Aktivierung depressiver Patient*innen durch gemeinsames Erkunden des Freizeitangebots im Wohnumfeld, gemeinsames Üben von Wegen mit dem ÖPNV, bei jüngeren Kindern Anleitung der Eltern in verschiedensten Alltagssituationen. Genauso hospitieren wir bei Bedarf auch in der Schule oder im Hort.
Wie etabliert sind StäB-Angebote für Kinder und Jugendliche?
In Berlin sind wir die ersten, bundesweit gibt es etwa zehn Standorte.