Limo, Cola, Brause – wie kriegen wir den Zucker aus den Softdrinks?
Limo, Cola, Brause – wie kriegen wir den Zucker aus den Softdrinks?
Im Februar 2023 wurde eine besorgniserregende Studie veröffentlicht, der zufolge der Zuckergehalt in Softdrinks in den letzten Jahren kaum reduziert wurde. Zwei Vivantes Expert*innen klären über die fatalen gesundheitlichen Folgen auf.
Prof. Dr. Diana Rubin engagiert sich nicht nur als Leiterin des Vivantes Zentrums für Ernährungsmedizin für gesunde Lebensmittel, sondern auch als Mitglied des Vorstands in der Deutschen Gesellschaft für Ernährungsmedizin (DGEM) und war als Autorin an der Studie beteiligt. Prof. Dr. Jürgen Ordemann leitet das Vivantes Adipositas Zentrum und weiß, wie schädlich Zucker für den Körper ist.
Die Getränkeindustrie hat sich das Ziel gesetzt, den Zucker ins Softdrinks zu reduzieren. Wo stehen wir derzeit?
Prof. Rubin: Leider kommen wir so gut wie gar nicht voran. Von 2015 bis 2025 sollte der Zuckergehalt um 15 Prozent gesenkt werden. Jetzt sind wir gerade mal bei 2 Prozent.
Zwei Prozent in sechs Jahren ist tatsächlich sehr wenig. Woran liegt das?
Prof. Rubin: Stimmt, von 2015 bis 2021 hätten rechnerisch 9 Prozent Zucker reduziert werden müssen, um das Ziel zu erreichen. Es genügt nicht, an die Branche zu appellieren. Die Regierung, oder genauer die nationale Reduktionsstrategie des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) muss endlich effektive Maßnahmen ergreifen.
Zucker ist in vielen Nahrungsmitteln. Welche Rolle spielen Softdrinks als Treiber für Übergewicht und Diabetes?
Prof. Ordemann: Zucker in hoher Konzentration ist wie ein Gift, das die Menschen krank macht. Ich spreche tatsächlich von einer „Intoxikation“ und Softgetränke schädigen damit nicht nur Zellen massiv, sondern ganzen Organen des Menschen. Das ist übrigens eine riesige Gefahr für Kinder und Jugendliche und das tragische ist, wir schauen einfach nur zu!
Zuckergehalt in Softdrinks wurde kaum reduziert
Wie würden Patient*innen von weniger süßen Getränken profitieren?
Prof. Ordemann: Die Patient*innen würden in vielen Bereichen profitieren. Die Gefahr übergewichtig, bzw. fettleibig zu werden könnte gesenkt werden, aber auch das Risiko einen Diabetes zu entwickeln wäre vermindert.
Worin besteht der Unterschied zu Zucker – beispielsweise - in Früchten?
Prof. Rubin: Zucker in Früchten ist anders zusammengesetzt und Früchte haben viele positive Inhaltsstoffe wie beispielsweise Ballaststoffe und sekundäre Pflanzenstoffe und gehören zu einer ausgewogenen Ernährung. Softdrinks beinhalten nur Zucker und keine Inhaltstoffe, die für uns gesund sind.
Wie könnten Maßnahmen aussehen, um den Zucker in Softdrinks stärker zu reduzieren?
Prof. Rubin: Wir brauchen nur zu unseren Nachbarn nach Großbritannien zu sehen. Dort konnte der Zuckergehalt bei ähnlichen Ausgangswerten im gleichen Zeitraum um 30 Prozent reduziert werden. Geholfen hat dabei eine Hersteller-Abgabe auf Softdrinks, die 2018 eingeführt wurde. Weltweit haben mittlerweile mehr als 50 Regierungen eine Abgabe oder Steuer auf Zuckergetränke eingeführt. Ich hoffe, dass die Studienergebnisse auch in Deutschland dazu führen, dass die Politik aufgerüttelt wird.
Prof. Ordemann: Ja, es sind tatsächlich viel „radikalere“ Antworten nötig, um Menschen vor der Zuckerschwemme zu schützen. Mir scheint, dass nur eine starke Erhöhung der Preise ungesunder Nahrung hilft, um die Menschen davon abzubringen, diese zu konsumieren. Also, Steuern für kalorienreiche Nahrung hoch, Steuern für gesunde Nahrung runter – wahrscheinlich geht es nur so!
Warum sind England und andere Länder fortschrittlicher als Deutschland?
Prof. Ordemann: Gute Frage – ich befürchte, dass die Lebensmittelindustrie eine extrem starke Lobby hat und verhindert, hier einen gesünderen Weg zu gehen. Auch sind wir in Deutschland wahnsinnig unflexibel und gefangen in bürokratischen Regelungen, die uns in einer selbstverschuldeten Unmündigkeit verharren lassen. Tatsächlich brauchen wir „strengere“ Gesetze!
Hintergründe:
In der Fachzeitschrift „Annals of Nutrition and Metabolism“ erschien am 21.02.2023 eine Studie der Deutschen Allianz Nichtübertragbare Krankheiten (DANK) in Zusammenarbeit mit Wissenschaftler*innen der Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU) und der Technischen Universität München (TUM). Diese erläutert, dass nach wie vor keine ausreichende Zuckerreduktion in Softdrinks erreicht wurde. Der Studie zufolge lag der durchschnittliche absatzgewichtete Zuckergehalt von Softdrinks in Deutschland im Jahr 2015 bei 5,3 Gramm je 100 Milliliter und im Jahr 2021 bei 5,2 Gramm je 100 Milliliter. Zum Vergleich: In Großbritannien ist der Zuckergehalt im gleichen Zeitraum von ebenfalls 5,3 Gramm je 100 Milliliter auf 3,8 Gramm je 100 Milliliter gesunken.
Im Jahr 2018 hatte die damalige Bundesernährungsministerin Julia Klöckner die „Nationale Reduktionsstrategie“ für Fertiglebensmittel gestartet.
Fotos:
Zuckerwuerfel: Unsplash, jason-Fbft0pYhbp4
Softdrinks: Unsplash, steven-weeks-BRQ_pdmCQO0
Portraits: Werner Popp/Vivantes