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Demenz: Neue Therapiemöglichkeiten

Mit steigendem Alter erhöht sich das Risiko an einer Demenz zu erkranken. Neue Medikamente machen Betroffenen Hoffnung. Wie diese wirken und warum 45 Prozent der Demenzfälle vermeidbar wären, erklärt Prof. Hans-Peter Thomas. Der Geriater ist Chefarzt des Vivantes Ida-Wolff-Krankenhauses.

Prof. Thomas, wie hat sich unser Verständnis von Demenz in den letzten Jahren verändert?

In den letzten Jahren hat sich viel getan. Wir sehen Demenz heute als ein komplexes Zusammenspiel verschiedener Prozesse. Früher stand fast ausschließlich das Amyloid im Mittelpunkt. Inzwischen wissen wir, dass auch Tau-Proteine, Immunzellen im Gehirn, die Blut-Hirn-Schranke und Gefäße eine entscheidende Rolle spielen. Außerdem treten Mischformen viel häufiger auf, als man lange dachte. Spannend ist auch: Mit Biomarkern im Blut oder im Liquor können wir die Erkrankung heute viel früher und präziser diagnostizieren.

Welche Formen begegnen Ihnen in der Praxis am häufigsten?

Am weitesten verbreitet ist die Alzheimer-Erkrankung. Sie macht rund 60 bis 70 Prozent aller Fälle aus. Daneben sehen wir viele vaskuläre Demenzen. Auch spielen die Lewy-Körper-Demenz, die Parkinson-Demenz und seltener die fronto-temporale Demenz eine Rolle. Mischformen sind übrigens häufig. Und man darf nicht vergessen: Das Risiko steigt deutlich mit dem Alter – bei Frauen liegt das geschätzte Lebenszeitrisiko bei etwa 20 bis 30 Prozent, bei Männern etwas darunter.

Welche neuen medikamentösen Therapieansätze gibt es?

Neben den bekannten Medikamenten wie Cholinesterase-Hemmern oder Memantin rücken nun Antikörpertherapien in den Fokus. Sie sind allerdings nur für sehr frühe Krankheitsstadien zugelassen und werden vor allem in spezialisierten Gedächtniszentren eingesetzt werden. Wir müssen hier aber realistisch bleiben: Die Wirksamkeit ist begrenzt, die Kosten hoch und die Risiken nicht zu unterschätzen. Es kann zum Beispiel zu Mikroblutungen oder Ödemen im Gehirn kommen, deshalb sind regelmäßige MRT-Kontrollen notwendig. Und nicht zuletzt ist die Therapie sehr erklärungsbedürftig – Patientinnen und Patienten müssen genau wissen, was auf sie zukommt.

Gibt es andere therapeutische Möglichkeiten?

Sehr viel! Wir wissen, dass bis zu 45 Prozent der Demenzfälle vermeidbar oder zumindest verzögerbar wären, wenn wir bestimmte Risikofaktoren konsequent angehen. Dazu gehören Hörverlust, Bluthochdruck, erhöhte Blutfette, Diabetes, Rauchen, Bewegungsmangel und soziale Isolation. Besonders klar belegt ist der Nutzen von Hörtests und Hörgeräten sowie einer konsequenten Kontrolle von Blutdruck und Cholesterin. Und nicht zu vergessen: Nicht-medikamentöse Maßnahmen wie Bewegung, Musik- oder Ergotherapie und strukturierte Angehörigenprogramme verbessern nachweislich Lebensqualität und Symptome.

Wie können Angehörige eingebunden werden?

Wir binden sie von Anfang an mit ein. Es geht um Aufklärung, um den richtigen Umgang im Alltag, aber auch um Entlastung. Die Deutsche Alzheimer Gesellschaft bietet hervorragendes Material an, und ich empfehle, Krisenpläne zu entwickeln und Hilfsangebote frühzeitig zu nutzen. Wichtig ist auch, mit den Patientinnen und Patienten so früh wie möglich über ihre Wünsche zu sprechen – etwa zu Vorsorgevollmachten oder persönlichen Lebenszielen.

Welche Ansätze verfolgen Sie im Team – mit Blick auf Lebensqualität & Würde?

Wir setzen klar auf nicht-pharmakologische Maßnahmen: Tagesstruktur, Aktivierung, Musik, Berührung – das wirkt oft besser und nachhaltiger als Medikamente. Antipsychotika nutzen wir nur sehr zurückhaltend. Außerdem arbeiten wir mit einem Case-Management: Das bedeutet, wir erstellen einen Fahrplan für Diagnostik, Therapie und Hilfen, unterstützen bei der Beantragung eines Pflegegrads und Suche von Entlastungsleistungen. Zuhause sollte dann regelmäßig geprüft werden, ob alles noch passt. So bleibt der Mensch im Mittelpunkt – mit seiner Lebensqualität und Würde.

     

    Fotos: pixabay 

    Altersmedizin bei Vivantes

    In unserer Gesellschaft gibt es immer mehr ältere Menschen. Dies bedeutet eine große Herausforderung, der sich Vivantes mit neuen, umfassenden Versorgungskonzepten stellt. Die Kliniken bieten vielfältige Leistungen in der Altersmedizin und sind eng mit ergänzenden medizinischen und pflegerischen Diensten vernetzt. 

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    Pflegende Angehörige finden auch hier Unterstützung 

    • Pflegeberatung/Pflegestützpunkte (Lotsenfunktion, Leistungsanträge).
    • Entlastungsbetrag  für anerkannte Angebote.
    • Angehörigen-/Selbsthilfegruppen und das Alzheimer-Telefon der DAlzG. BMG+1Verbraucherzentrale.deWegweiser Demenz