Veröffentlicht am

Multitalent Schilddrüse

Sie hat die Form eines Schmetterlings, produziert Hormone und schüttet sie ins Blut aus: die Schilddrüse. Wie sehr dieses Organ unseren gesamten Organismus beeinflusst, erklärt eine Spezialistin für endokrine Chirurgie.

Sie ist etwa zwischen 10 und 25 Gramm leicht und zählt zu den endokrinen Organen unseres Körpers: Ohne die Schilddrüse ginge es in unserem Körper drunter und drüber. Herz-Kreislauf-System, Verdauung, Knochenaufbau und sogar die Psyche hängen von ihrer Arbeit ab. Um die zahlreichen Körperfunktionen zu regulieren, gibt das kleine Organ stetig eine bestimmte Menge an Hormonen ins Blut ab. 

Hormone: mal mehr, mal weniger

Benötigt der Stoffwechsel in bestimmten Situationen, etwa bei Kälte, im Wachstum oder während einer Schwangerschaft, mehr Energie, dann bildet es entsprechend mehr Hormone. Ist die Schilddrüse in ihrer Funktion gestört, hat das Folgen für den gesamten Organismus: Sowohl ein zu wenig (Unterfunktion) als auch ein zu viel (Überfunktion) an Schilddrüsenhormonen kann zu ernsthaften Störungen wichtiger Körperfunktionen führen.

Fehlfunktion - etwa jede*r Dritte betroffen

Rund ein Drittel der deutschen Frauen und Männer leidet unter einer Fehlfunktion der Schilddrüse – diemeisten davon unwissentlich. Oft sind die Zeichen nicht eindeutig und können auch anderen Erkrankungen zugeordnet werden: Schreckhaftigkeit, schneller Puls, unklare Gewichtsabnahme, vermehrtes Schwitzen und Zittern der Hände können beispielsweise auf eine Überfunktion hindeuten. Gewichtszunahme, Müdigkeit, Schlaflosigkeit, Abgeschlagenheit auf eine Unterfunktion.

Warum Kontrollen wichtig sind

Oftmals bemerken Betroffene auch eine Schwellung am Hals, die nicht immer mit Beschwerden einhergehen muss, aber dennoch abgeklärt werden sollte. Es empfiehlt sich daher, die Schilddrüse regelmäßig kontrollieren zu lassen. 

Mehr im Youtube-Video "Was macht eigentlich die Schilddrüse?"

Kalte und heiße Knoten

Dr. Hannelore Heidemann, Chefärztin der Klinik für Endokrine Chirurgie im Vivantes Humboldt-Klinikum, beschäftigt sich seit 1993 intensiv mit der Schilddrüsenchirurgie. Sie berichtet aus der Praxis: „Bei mehr als der Hälfte aller Frauen über 45 Jahre in Deutschland sind Knoten in der Schilddrüse vorhanden.

Glücklicherweise müssen nicht alle operiert werden. Die Knoten unterscheiden sich: Sogenannte ‚kalte‘ Knoten produzieren kein Schilddrüsenhormon, es sind Gewebeveränderungen ohne Funktion wie etwa Zysten oder bösartige Tumore. ‚Warme‘ oder ‚heiße‘ Knoten dagegen sind meistens gutartig. Sie produzieren mehr Hormone, als der Körper benötigt, und führen zu funktionellen Störungen.“

heidemann_huk

Bei mehr als der Hälfte aller Frauen über 45 Jahre in Deutschland sind Knoten in der Schilddrüse vorhanden. Glücklicherweise müssen nicht alle operiert werden. Denn die Knoten unterscheiden sich.

Chefärztin der Klinik für Endokrine Chirurgie im Vivantes Humboldt-KlinikumDr. Hannelore Heidemann

Hashimoto und Morbus Basedow

Die beschriebenen Knotenarten werden unterschiedlich behandelt. „Die kalten Knoten können mithilfe von Ultraschall und Szintigrafie weiter differenziert und anschließend operiert werden. Dabei wird meistens der befallene Schilddrüsenlappen entfernt, unter Umständen auch die gesamte Schilddrüse. Die heißen Knoten lassen sich mit Radioaktivität behandeln. Wurden bei einer Gewebepunktion allerdings bösartige Zellen nachgewiesen oder besteht ein entsprechender Verdacht, muss auch hier operiert werden“, erläutert Dr. Hannelore Heidemann, die bislang an mehr als 10.000 Operationen mitwirkte, dabei assistierte oder sie selbst durchführte.

Wie behandelt man Unterfunktion und Überfunktion?

„Die Hauptursache der Schilddrüsenunterfunktion in unserem Land ist die Autoimmunthyreoiditis Hashimoto. Sie wird medikamentös behandelt, nur bei vorhandenen verdächtigen Knoten ist eine OP nötig. Die zweite Autoimmunerkrankung ist der Morbus Basedow, erkennbar an hervorstehenden Augen und Lidödemen, ausgelöst durch eine Überfunktion.

Therapiert wird zunächst medikamentös, etwa 50 Prozent der Erkrankungen treten nur einmalig auf. Kommt es nach dem Absetzen der Medikamente erneut zur Überfunktion, dann muss die Schilddrüse entfernt werden oder eine Radioiodtherapie mittels Radioaktivität erfolgen.

In Einzelfällen OP im Kindesalter

Darüber hinaus machen vererbte Schilddrüsenerkrankungen in Einzelfällen bereits im Kindesalter dieEntfernung der Schilddrüse erforderlich“, führt die Spezialistin weiter aus. Mithilfe lebenslanger Einnahme künstlicher Hormone ist aber auch ein Leben ohne Beeinträchtigungen trotz des fehlenden Organs gut möglich.

magazin-vivantes-4-2022-titel
Mehr Gesundheitsthemen

Dieser Artikel ist auch im Vivantes Magazin gesund!, Ausgabe 04-2022, erschienen.