Veröffentlicht am

Schulter on Ice – minimalinvasive Behandlung der Frozen Shoulder

Die „Frozen Shoulder“ auch Schultersteife oder adhäsive Kapsulitis genannt, kann äußerst schmerzhaft sein. Dr. Maike Müller, Chefärztin der Klinik für Schulter- & Ellenbogenchirurgie im Vivantes Humboldt-Klinikum, Klinikum Spandau und Klinikum Neukölln berichtet von einer vielversprechenden Behandlungsmethode, der transarteriellen periartikulären Embolisationstherapie (kurz: TAPE).

Was sind Gründe für eine Frozen Shoulder?

Gründe für eine Frozen Shoulder können vielfältig sein. Grundsätzlich unterscheidet man die primäre Schultersteife, die von einem Tag auf den anderen und scheinbar aus heiterem Himmel auftritt und die sekundäre, zu der es nach einem operativen Eingriff, oder einem Unfall kommen kann. Die primäre Schultersteife betrifft zu über 80 Prozent Frauen zwischen Ende 40 und 60 Jahren. Hormonumstellungen, Schilddrüsenveränderungen, oder Diabetes Mellitus können diese Entzündung auslösen.

Wie verläuft die Erkrankung?

Bei Schulterschmerzen aufgrund einer Kapselentzündung (Frozen Shoulder) verläuft die Erkrankung typischerweise in drei Stadien. Diese sind „gesetzt“ und folgen immer demselben Muster. Erst kommt es zur Entzündung, dann zur Einsteifungsphase, zuletzt folgt die auflösende Phase. Wenn sich die Gelenkkapsel entzündet, schwillt das Gewebe an, verändert sich und schmerzt. Die Kapselentzündung geht dann in eine Kapselvernarbung über, die Schmerzen  lassen nach, aber die Bewegung wird eingeschränkt. Dann können wir beispielsweise den Autogurt nicht mehr von hinten nach vorne holen, oder die Jacke ausziehen. Schließlich wandelt der Körper in der lösenden Phase die Narbe wieder in gesundes Gewebe um.

Das klingt, als ginge die Frozen Shoulder von alleine vorüber… 

In gewissem Sinne ist es auch so, aber die Symptome können durch die richtige Therapie zumindest deutlich gemindert werden. Die Patientinnen kommen naturgemäß meist in der Entzündungsphase zu uns und beschreiben einen stechenden Schmerz, der bei kleinsten Bewegungen auftritt und manchmal in den Oberarm ausschießt. Je nachdem, wie der Körper mit der Entzündung umgeht, dauert jede der drei Phasen bis zu 6 Monate lang.

Können Spätfolgen zurückbleiben?   

Die idiopathische Frozen Shoulder, also die primäre, heilt in der Regel komplett aus. Bei einer Frozen Shoulder, die aufgrund eines Unfalls entsteht, kommt es auf die zugrundeliegende Verletzung an, die schlimmstenfalls neue Entzündungen auslösen kann.    

Bei Schulterschmerzen aufgrund einer Kapselentzündung verläuft die Erkrankung typischerweise in drei Stadien: Erst kommt es zur Entzündung, dann zur Einsteifungsphase, zuletzt folgt die auflösende Phase.

Chefärztin im Department für Orthopädie & Unfallchirurgie, Tumororthopädie, Klinik für Schulter- & Ellenbogenchirurgie, SportmedizinDr. Maike Müller

Welche konservativen Behandlungstherapien gibt es?

Die Therapie erfolgt abhängig von der Erkrankungsphase. Im ersten Stadium geht es darum, den Schmerz der Entzündung zu hemmen – mit einem guten Schmerzkonzept, in manchen Fällen oralem Cortison und schrittweiser Verringerung der Dosis. Aber auch Nahrungsergänzungen können helfen. Etwa Kurkuma, hochdosiertes Vitamin C, das Coenzym Q10, Papaya Enzym, oder Ingwer. In der zweiten Phase, in der es zu Bewegungseinschränkungen oder Schonhaltungen kommt, die auch benachbarte Körperregionen wie das Schulterblatt oder den Brustkorb betreffen, können Physiotherapie, Wärme- und manuelle Therapie helfen. Diese sind aber auch wirklich erst in Phase zwei angesagt. Vor allem braucht es Geduld. In der dritten Phase merken Patientinnen endlich, das wieder „was geht“. Jetzt kann Physiotherapie an der Schulter selbst angewendet und das Gewebe stimuliert werden, um wieder Elastizität zurückzubekommen.

Wie genau erfolgt der neuartige, minimalinvasive TAPE Eingriff (transarterielle periartikuläre Embolisationstherapie)?

Ein Überschuss an kleinen Gefäßen, die sich in den entzündeten Regionen der Schulter bilden, wird bei der TAPE-Methode minimalinvasiv verschlossen, um die Entzündung zu hemmen. Die Entzündung verhält sich wie ein schmerzhafter Mückenstich: Der Bereich rötet sich, schwillt an, schmerzt oder juckt. Die Gefäße weiten sich, werden durchlässiger, Blut wird hineingeschwemmt, um das Gift zu bekämpfen. Diese überschießende Reaktion (Bildung neuer Blutgefäße, Hypervaskularisierung) soll gemildert werden.

Wie genau geht das?

Ein feiner Katheter wird unter radiologischer Kontrolle durch ein Gefäß, zumeist am Arm eingebracht und zum Schultergelenk geführt. Vor Ort wird dann ein Medikament gespritzt, dass schonend die kleinen, überschüssigen Entzündungsgefäße verschliesst. Durch ein Kontrastmittel wird sichtbar, was in der Gelenkkapsel passiert, welche Gefäße gezielt bekämpft werden, und welche anderen geschützt werden. Die Patientinnen werden für eine Nacht zur Überwachung stationär aufgenommen, und können am nächsten Tag nach Hause gehen.

Warum wird die Methode nur in wenigen Orthopädien angeboten?

Grundvoraussetzung für die TAPE-Therapie ist eine enge Zusammenarbeit der Schulter- und Ellenbogenchirurgie oder Orthopädie mit der interventionellen Radiologie. Diese Voraussetzung ist meistens in Kliniken mit spezialisierten  radiologischen Abteilungen möglich, es gibt sie aber deutschlandweit erst vereinzelt und seit wenigen Jahren.

Wie wird die Frozen Shoulder diagnostiziert?

Entscheidend sind die körperliche Untersuchung und Befragung der Krankheitsgeschichte für eine sichere Diagnose. In einem MRT sieht man häufig keine veränderten Strukturen, der Befund ist oft normal, bis auf eine Schrumpfung der Gelenkkapsel (ab Stadium II). Zusammenfassend ist das auffälligste Symptom die Schmerzanamnese und die fehlende Drehfähigkeit des Armes