OP-Vorbereitung für betagte Patient*innen – neue Studie
Herr Dr. Kastrup, je älter wir werden, desto mehr Erkrankungen und Gebrechen haben wir. Welche Erfahrungen machen Sie bei Ihrer täglichen Arbeit?
Ja, richtig, unsere Patient*innen werden nicht nur älter, sie haben oft die unterschiedlichsten Zusatzerkrankungen wie Diabetes, Adipositas oder ein geschwächtes Herz-Kreislaufsystem. Wir stellen in der Klinik zudem häufig das so genannte Gebrechlichkeitssyndrom fest.
Unter Gebrechlichkeit kann man sich zwar etwas vorstellen – aber wie wird sie diagnostiziert?
Dafür gibt es verschiedene Indikationen wie körperliche Schwäche – d.h. weniger Kraft und Ausdauer – langsame Bewegungen und langsameres Denken, ungewollte Gewichtsabnahme oder schwindende Muskeln und eingeschränkte Organfunktionen. Diese Symptome einer Gebrechlichkeit lassen sich aber über multimodal aufgebaute Trainings- und Therapiekonzepte verringern oder beseitigen.
Welche Risiken gibt es, wenn gebrechliche Patient*innen einen chirurgischen Eingriff bekommen?
Sie haben ein deutlich erhöhtes Risiko für postoperative Komplikationen wie z.B. ein Delir, Infektionen, Herzinsuffizienz, langfristige kognitive Störungen. Oft verlieren sie ihre Mobilität oder werden pflegebedürftig.
Betagte Patient*innen haben ein deutlich erhöhtes Risiko für postoperative Komplikationen - mit der Studie wollen wir ihre Situation evaluieren und verbessern.
Sie sprachen Trainings- und Therapiekonzepte an. Können diese die Risiken mindern?
Ja, aber uns geht es darum, dies für den gesamten Krankheitsverlauf auch wissenschaftlich zu untersuchen. Dazu hat die Charité – Universitätsmedizin Berlin das Versorgungsforschungsprojekt PRÄP-Go gestartet, das durch den Innovationsfonds des Gemeinsamen Bundesausschusses gefördert wird. Auch Patient*innen des Auguste-Viktoria Klinikums können von diesem Versorgungsforschungsprojekt profitieren.
Wie läuft dieses Forschungsprojekt ab?
Es werden Patient*innen des Vivantes Auguste-Viktoria-Klinikums ausgewählt, die über 70 Jahre alt sind und mindestens vier Wochen vor einer geplanten Operation stehen. Bei ihnen wird die standardisierte Untersuchung auf Gebrechlichkeit durchgeführt. Wenn eine solche vorliegt, können sie in die Präp-Go-Studie eingeschlossen werden. Jetzt entscheidet der Zufall, wer in die Behandlungsgruppe und wer in die Kontrollgruppe kommt. In der Behandlungsgruppe können sie an der sogenannten „Prähabilitation“ teilnehmen, d.h. dem Trainings- und Therapieprogramm. Dieses umfasst umfangreiche Tests zum aktuellen Gesundheitszustand und die funktionelle, psychische und kognitive Leistungsfähigkeit.
Wie unterscheidet sich die OP-Vorbereitung für die Proband*innen der Behandlungsgruppe?
Für die Patient*innen in der Behandlungsgruppe werden bei einer interdisziplinären Konferenz mit Expert*innen aus der Pflege, der Chirurgie, Anästhesie, Geriatrie und Physiotherapie individuelle Behandlungsziele zusammengestellt. Dann werden sie in einem 3-wöchigen Programm intensiv auf die Operation vorbereitet. Nach dem Eingriff werden die Studienteilnehmer*innen - unabhängig davon in welcher Gruppe sie waren - für ein Jahr nachbeobachtet, um sowohl den Kurzzeit- als auch den Langzeitverlauf zu untersuchen. Ziel ist es, die postoperativen Risiken für betagte Patient*innen zu minimieren.
Hat eine Teilnahme an der Studie irgendwelche Auswirkungen auf den OP-Termin?
Nein, die OP-Planung passiert unabhängig von der Studie und ein geplanter OP-Termin wird durch eine Teilnahme an Präp-Go nicht verschoben. Voraussetzung für eine Studienteilnahme ist ein ausreichender Zeitabstand zwischen einer geplanten Operation und der Indikationsstellung für den operativen Eingriff, um das 3-wöchige Trainingsprogramm vollständig zu absolvieren.
Hintergrund
PRÄP-GO steht für Prähabilitation vor geplanter Operation. Nähere Informationen und die Ansprechpartner*innen finden Sie unter www.praep-go.de.