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Wie lernen wir Lachen, auch wenn’s nichts zu Lachen gibt?

Lachen ist gesund und ansteckend, aber warum ist das so und wie können wir auf Knopfdruck lachen? Tina Kling, Stationspflegeleitung in der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie am Vivantes Wenckebach-Klinikum erzählt von ihren Erfahrungen mit dem Lachen als therapeutisches Werkzeug.

Ist Lachen so gesund, wie man sagt?

Es heißt nicht umsonst „Lachen ist die beste Medizin“. Wer lacht, baut Stress ab, es werden Endorphine ausgeschüttet, sogar der Schlaf wird besser, wir finden einen besseren Zugang zu unseren Gefühlen und können leichter darüber sprechen. Es gibt auch unmittelbar körperliche Effekte auf den Blutdruck, die Atmung, den Bewegungsapparat, Lachen lindert sogar Schmerzen. Wir nehmen dabei eine andere Haltung ein und holen tiefer Luft, so verbessern sich die Sauerstoffwerte.

Sind bei Ihnen „Lachgruppen“ ein offizieller Behandlungsteil, oder ein Zusatzangebot?

Beides. Wir haben gerade eine neue „Lachgruppe“ aufgebaut. Auf anderen Stationen konnte ich schon Erfahrungen sammeln. Dort war die Lachgruppe, die von Pflegekräften angeleitet wird, fester Bestandteil des Behandlungsprogramms in der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie. Eigentlich sollte dieses Modul auch auf somatischen Stationen an der Tagesordnung sein…

Lachen ist ein natürliches Bedürfnis, wie lässt es sich gezielt einsetzen?

Kinder lachen den ganzen Tag, genauso, wie sie spielen und sich bewegen. Wir verlernen als Erwachsene das Spielen und lachen somit auch viel weniger. Wir kennen Situationskomik, oder lachen über Witze. Wenn in der Lachgruppe jemand einen guten Witz parat hat, kann er ihn zum Einstieg erzählen, aber ich persönlich kann mir Witze nie merken. Vor allem aber lässt sich das ungeplante Lachen durch Übungen und absichtliches Lachen erreichen.

Wie kann ich mir das ganz praktisch vorstellen?

Ich schlage den Teilnehmenden vor, auf möglichst ungewöhnliche Weise und mit Absicht zu lachen. Oder wir bewegen uns im Raum und stellen uns vor, wir fahren Motorrad und der Anlasser ist unser Lachen. Dabei begegnen wir uns, sehen uns in die Augen. Das kostet zuerst Überwindung und ist natürlich zunächst ein falsches Lachen, das schlägt aber schnell um und wird echt, weil wir uns gegenseitig anstecken. Der positive Effekt auf den Körper ist derselbe wie bei spontanem Lachen. Am Ende liegen alle am Boden und kringeln sich.

Müssen auch die Anleitenden ihre Komfortzone verlassen?

Klar ist das auch für uns eine Herausforderung. Wenn keiner mitmacht, machen wir uns selbst zum Löffel. Deshalb geht es auch nur auf freiwilliger Basis. Es beeinflusst unseren Umgang auch außerhalb der Lachgruppe, wir lachen in der Psychiatrie sehr viel, gehen nicht achtlos aneinander vorbei. Es geht bei der Therapie letztlich um die Frage „lache ich, weil ich glücklich bin, oder bin ich glücklich, weil ich lache?“ Wir können die Situation durch die Übungen umdrehen und glücklich werden, auch wenn wir es vorher nicht waren. So wie wir unfreundlichen Menschen mit Freundlichkeit begegnen, sodass sie ihr Verhalten überdenken.

Trotzdem ist die Voraussetzung, dass man sich auf die Arbeit in der Lachgruppe einlässt, oder?

Ja, wenn sich jemand darüber lustig macht, sage ich „das hier ist ernst! Es geht um etwas!“ Aber eigentlich sind sogar die Skeptiker, die die Übungen erst lächerlich fanden, am Ende begeistert. Wir haben auch klare Regeln: Erstens ist die Therapie freiwillig – neue Teilnehmende können eingeladen, aber nicht gezwungen werden. Zweitens gibt es keine Zuschauer*innen, jeder macht mit. Und drittens bleibt alles im Raum, was im Raum passiert ;-).

Sie setzen die Lachgruppe in der psychiatrischen Klinik ein. Mit welchem Ziel?

Wenn psychiatrische Patient*innen hier im geschützten Raum befreit lachen, können sie auch freier über ihre Emotionen reden und das hilft beim Umgang mit der eigenen Erkrankung. Gerade bei Patient*innen mit chronischen Depressionen macht es mich als Teil des therapeutischen Teams glücklich, solche Erfolgserlebnisse zu sehen: Eine Entwicklung von einem Menschen, der apathisch im Bett lag, die eigene Körperpflege vernachlässigte und nichts essen wollte und dann durch die verschiedenen Therapien, aber eben auch durch das Lachen wieder am Leben teilnimmt und sich öffnet.