Veröffentlicht am

Ergotherapie: Zurück in den Alltag

Wer neurologisch erkrankt ist, dem fällt vieles schwer – etwa nach einem Schlaganfall: Sprechen, laufen, greifen, lesen und schreiben, Alltagstätigkeiten oder sich etwas merken. Dann kann Ergotherapie helfen.

Ergotherapie für neurologische Patient*innen

Ein Schädel-Hirntrauma, ein Schlaganfall oder eine Erkrankung wie Multiple Sklerose, Demenz oder eine Polyneuropathie können zur Folge haben, dass ein Mensch danach eingeschränkt ist - und zwar in vielen Lebensbereichen. Das Ziel der Ergotherapie ist es dann, verloren gegangene Fähigkeiten wie Bewegungen, Sinneswahrnehmungen, Konzentration, Gedächtnis, Lesen und Schreiben wiederzuerlangen oder zu verbessern.

Unsere Ergotherapeutin im Interview

Frau Dilan, wie hilft neurologische Ergotherapie den Patient*innen?

Gisela Dilan, Ergotherapeutin am Zentrum für Schwerst-Schädel-Hirnverletzte im Vivantes Klinikum Spandau:„Stellen Sie sich vor, Sie hatten einen Schlaganfall – und nun ist ihr Sehfeld oder die Bewegungsfähigkeit des Armes eingeschränkt, so dass Sie eine Tasse auf dem Tisch nicht mehr gut greifen können oder einfach danebengreifen. Oder Sie können aufgrund von Bewegungseinschränkungen sich nicht mehr selbständig waschen, bekleiden oder nach Wunsch betätigen.

Dann können wir in der Ergotherapie dies mit speziellen Übungen trainieren. Damit haben wir oft große Erfolge. Wir kümmern uns in der neurologischen Ergotherapie also um Menschen mit Erkrankungen des Zentralnervensystems, also des Gehirns und des Rückenmarks, und mit Verletzungen des peripheren Nervensystems.“

Ergotherapie_in_Neurologie_Expertin_Vivantes_Dilan

Wir nutzen in der Ergotherapie aktuelle Erkenntnisse der Neurowissenschaften und anderer Disziplinen, um jeder und jedem wieder zu größtmöglicher Bewegungsfähigkeit und Selbstständigkeit zu verhelfen und unseren Patienten auch wieder gesellschaftliche Teilhabe zu ermöglichen.

Leitende Ergotherapeutin am Zentrum für Schwerst-Schädel-Hirnverletzte im Vivantes Klinikum SpandauGisela Dilan

Welche Einschränkungen haben Ihre Patient*innen häufig?

Dilan: „Unsere Patienten in der neurologischen Frührehabilitation haben schwere neurologische Beeinträchtigungen, etwa durch Lähmungen oder Störungen der Wahrnehmung und Sensibilität. Das kann alle Lebensbereiche betreffen: Vom Sprechen, Sehen und Bewegen bis hin zum Gedächtnis und anderen kognitiven Fähigkeiten. Wir wollen dann jeder und jedem wieder zu größtmöglicher Bewegungsfähigkeit und Selbstständigkeit verhelfen und unseren Patienten auch wieder gesellschaftliche Teilhabe ermöglichen. Dazu nutzen wir in der Ergotherapie aktuelle Erkenntnisse der Neurowissenschaften und anderer Disziplinen.“

Was sind die neusten Behandlungsmethoden?

Dilan: „Als neue Behandlungsmethoden sind vor allem auch computer- und technikunterstützte Behandlungsverfahren zu nennen, die wir auch in der Ergotherapie zunehmend nutzen. Hier gibt es bereits sehr gute Behandlungsmöglichkeiten um visuelle und kognitive Fähigkeiten wieder zu fördern, aber auch zur Verbesserung der Körperwahrnehmung und des Bewegens können wir mittlerweile unterschiedliche technische Systeme einsetzen.“

„Computer-und technikgestützte Behandlungen sind im Kommen“

Gibt ein Beispiel für diese technik- oder computerunterstützen Innovationen?

Dilan: „Es gibt zum Beispiel Armrobotik-Geräte, die auf den Prinzipien der Spiegelneuronen aufbauen oder Geräte, die mit Neuro-Feedback arbeiten um motorische Funktionen zurückzugewinnen.Auf unserem nächsten Berliner Ergotherapiekongress am 25.03.2023 Ergotherapie 2030 - Blick in die Zukunft, wollen wir dieses Thema auch besonders beleuchten.“

Vivantes ausgezeichnet: Erster Preis in der Kategorie „Qualität“

Für ihr besonderes gemeinsames Engagement über ihre tägliche Arbeit weit hinaus für das Berufsfeld Ergotherapie wurden Gisela Dilan, Ergotherapeutin am Zentrum für Schwerst-Schädel-Hirnerkrankte und Coline Lux, Ergotherapeutin in der geriatrischen Rehabilitation am Vivantes Klinikum Friedrichshain mit dem Preis „Vivantes ausgezeichnet“ geehrt.

Denn sie haben es geschafft, dass die rund 180 Ergotherapeut*innen bei Vivantes nun enger vernetzt sind. So haben sie den ersten digitalen Berliner Fachkongress für Ergotherapie organisiert, auf dem mehr als 170 Teilnehmer*innen waren.

Um die Nachwuchsförderung der Ergotherapie bei Vivantes zu verbessern und auszubauen, setzt sich Coline Lux für die Koordination der Ausbildung von Praxisanleiter*innen der Ergotherapie, sowie die Intensivierung der Zusammenarbeit von Vivantes mit einer Berliner Ergotherapieschule ein.

Damit Ergotherapeut*innen in der neurologischen Rehabilitation bei Vivantes und darüber hinaus auch andere Berufsgruppen fachlich auf dem neusten Stand sind, hat Gisela Dilan unter dem Motto „Gut zusammen lernen – gut zusammen arbeiten!“  ein interdisziplinäres neurologisches Fortbildungskonzept entwickelt.

 

Sie haben ein neurologisches Fortbildungskonzept entwickelt, das auch interdisziplinär genutzt wird – und mit dem ersten Preis in der Kategorie Qualität bei „Vivantes ausgezeichnet“ geehrt wurde. Die Fortbildungen besuchen also nicht nur Ergotherapeut*innen.

Dilan: „Stimmt, unsere Kurse sind interdisziplinär und behandeln verschiedene relevante Themen der neurologischen Rehabilitation. Unseren Patienten*innen in der neurologischen Frührehabilitation (Phase B) sind auf eine intensive therapeutische Pflege und hoch spezialisierte Behandlungsmethoden in der Physiotherapie, Ergotherapie, Logopädie und Neuropsychologie angewiesen. Das ist sehr komplex und kann nur in enger Zusammenarbeit der verschiedenen Berufsgruppen gut gelingen.“

Von Aufmerksamkeitsstörung bis FOTT

Welche Themen sind das? Und warum nehmen auch Fachleute aus ganz Deutschland an den Fortbildungen teil?

Dilan: „Unter dem Motto „Gemeinsam lernen-gemeinsam arbeiten“ können sich daher bei uns tätige Mitarbeiter*innen der genannten Professionen, aber auch Interessierte aus anderen Kliniken und neurologischen Einrichtungen beispielsweise zu Themen wie Affolter (Person-Umwelt-Interaktion), LiN – (Lagerung in Neutralstellung) Neglect (Aufmerksamkeitsstörung) oder Verhaltensstörungen weiter ausbilden lassen und Qualifikationen in diesen Bereichen erwerben. Da wir die einzige Klinik im Norden Deutschlands sind, die einen zertifizierten FOTT-Kurs anbietet, kommen zu uns Teilnehmende aus ganz Deutschland oder sogar aus Österreich und der Schweiz.“

Einzige zertifizierte Fortbildung im Norden

Erzählen Sie uns mehr zum FOTT-Kurs, was heißt das und was steckt dahinter?

Dilan: „Die Facio-Orale-Trakt-Therapie, kurz FOTT, wurde von Cay Coombes in Zusammenarbeit mit Bertha und Dr. Karl Bobath entwickelt und hat zum Inhalt die Therapie und Rehabilitation des Gesichts und des oralen Trakts von Patienten mit zentralen Läsionen. Die FOTT bietet eine strukturierte und zielführende Herangehensweise bei der Befunderhebung und Behandlung neurogener Störungen des Schluckens, der oralen Nahrungsaufnahme, des mimischen Ausdrucks und des Bereichs von Atmung, Stimme und Sprechen bei Patient*innen aller Altersstufen. Gerade in diesem Bereich ist eine qualifizierte interdisziplinäre Behandlung besonders wichtig.“

Ergotherapie ist nicht nur in der Neurologie wichtig…

Dilan: „Richtig. Das Berufsbild der Ergotherapie ist darüber hinaus natürlich auch sehr vielseitig. Außer in der Neurologie sind Ergotherapeut*innen in der Psychiatrie, Pädiatrie, Geriatrie, Inneren Medizin, Orthopädie/Chirurgie tätig. Auch die Onkologie, Rheumatologie und Palliativmedizin sind wichtige ergotherapeutische Tätigkeitsbereiche.“

Es gibt 180 Ergotherapeut*innen bei Vivantes. Warum sind sie so bedeutend?

Dilan: „Hier bei Vivantes arbeiten Ergotherapeut*innen in allen Kliniken und Standorten und bilden mit fast 180 Mitarbeiter*innen die zweitgrößte therapeutische Berufsgruppe. Sie bereichern in den klinischen und ambulanten Bereichen die Behandlung der Patienten durch ihren besonderen betätigungs-, teilhabe- und klientenzentrierten Ansatz. Dass wir nun auch 2-jährig unseren Berliner Ergotherapiekongress mit der Unterstützung von Vivantes durchführen können, stärkt die Ergotherapie in Berlin, macht sie sichtbarer und vernetzt uns sowohl nach innen wie nach außen.“

 

Mehr zur Ergotherapie bei Vivantes

Karriere: Berufsbild Ergotherapeut*innen bei Vivantes

_______________________

Fotos:

Titelfoto: Toago Murano auf Unsplash.com; Ball: StockSnap auf Pixabay; Porträt Dilan: Ubl/Vivantes; Preisverleihung: Kevin Kuka/Vivantes