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Die innere Uhr und Schichtdienst: Wie Klinikmitarbeitende damit umgehen

Die innere Uhr lässt sich nicht verstellen. Zu welchem „Chronotyp“ man gehört, ist genetisch festgelegt, kann sich allerdings im Lebensverlauf auch verändern. Zwei Klinikmitarbeiterinnen erzählen, wie sie damit leben.

Von Lerchen und Eulen

Lerchen sind Morgenmenschen. Frühmorgens sind sie putzmunter, werden dann gegen Abend müde. Anders die Eulen: Sie schlafen morgens länger und bleiben problemlos wach bis in die Nacht.

Den Unterschied macht unsere genetisch bedingte innere Uhr. Milliarden kleine Zeitmesser ticken in unserem Körper, sie werden von der Hauptschaltzentrale im Gehirn gesteuert. Die lässt physiologische und biochemische Prozesse in Zyklen ablaufen. Denn bei allen Kreaturen – bis runter zum Einzeller – unterliegt jede Körperfunktion, etwa Verhalten, Hormonspiegel, Schlaf, Körpertemperatur und Stoffwechsel, Hoch und Tiefs, je nachdem, ob Tag oder Nacht herrscht.

Wonach sich der natürliche Takt richtet

Die Chronobiologie untersucht die biologischen Rhythmen beim Menschen. Der natürliche Takt richtet sich nach dem Hell-Dunkel-Rhythmus der Natur, das Sonnenlicht sendet dem Körper die entsprechenden Impulse, wann er die Zeiger auf Aktivität oder Ruhe zu stellen hat. „Alles Leben unterliegt einem Zyklus von Ruhe und Aktivität“, so beschreibt es Scott Campbell, Chronobiologe aus den USA. Unsere Nonstop-Gesellschaft, in der rund um die Uhr alles laufen muss, nimmt darauf keine Rücksicht. Viele Berufe sind daher auf Schichtdienste angewiesen.

 

Wissenschaftler*innen stellten fest: Rund 80 Prozent von uns leben gegen ihren individuellen Biorhythmus. Vorübergehende Fehlanpassungen zwischen unserer äußeren Umgebung und unserer biologischen Uhr wirken sich direkt auf unser Wohlbefinden aus – zum Beispiel bei Reisen über mehrere Zeitzonen oder eben bei der Arbeit im Schichtdienst. Um Leistung zu erbringen, braucht der Mensch, abhängig von seiner genetischen Ausstattung, zwischen sechs und zehn Stunden Schlaf pro Tag.

Ohne Schlaf keine Leistung

Schlafmediziner*innen predigen darüber hinaus Regelmäßigkeit: jeden Tag etwa um die gleiche Zeit ins Bett sowie auch aufstehen. Das ist für fast jeden schwierig einzuhalten, für beispielsweise Krankenpfleger*innen, Polizist*innen, Feuerwehrleute oder Ärzt*innen sogar unmöglich. Sie arbeiten und leben ständig gegen ihren biologischen Rhythmus, versuchen den Schlaf auszutricksen, so gut es geht. Oft aus Liebe zu ihrem Beruf. Mit der Zeit hinterlässt das auch körperliche Spuren wie etwa Schlafstörungen, innere Unruhe, Magenbeschwerden oder Herz- Kreislauf-Erkrankungen.

Wie ist es in der Klinik in Schichten zu arbeiten?

In Deutschland arbeitet rund jede oder jeder sechste der berufstätigen Menschen im Schichtdienst. Dazu gehören auch die beiden Pflegefachkräfte Melanie Oppermann und Marlen Hocke aus dem Vivantes Klinikum Neukölln. Wir haben nachgefragt: Wie gehen sie mit ihren wechselnden Arbeitszeiten um?

„Früher fiel es mir leichter“

Melanie Oppermann: „Am Anfang meiner Berufstätigkeit bereitete mir der Schichtdienst keine Probleme. Ich war bis 3 Uhr nachts mit unserem Karnevalsverein unterwegs, bin nach zwei Stunden wieder aufgestanden und zur Frühschicht gegangen. Heute fällt es mir schwerer – was sicherlich auch am gestiegenen Arbeitspensum liegt. Mittlerweile falle ich nach dem Dienst direkt auf die Couch oder ins Bett und schlafe erst einmal eine Stunde.

In diesem Monat arbeite ich fast nur in Spät- und Nachtschichten, das wirkt sich auch aufs Schlafverhalten aus, da liege ich schon mal drei bis vier Stunden wach, ehe ich einschlafe. Nach Nachtdiensten konnte ich früher von morgens bis abends 18 oder 19 Uhr durchschlafen, heute bin ich oft mittags wieder wach. Auch Freundschaften leiden unter den wechselnden Diensten, man muss lernen, damit umzugehen.“

„Die freien Tage genießen und lernen, auch mal Nein zu sagen“

Marlen Hocke: „Als ich mich für meinen Beruf entschied,wusste ich: Arbeiten imSchichtdienst hat sowohl Vor- als auchNachteile. Beim Frühdienst hat mannoch was vom Tag, beim Spätdienstkann man morgens ausschlafen.Nachtdienste? Mhm … zu Beginn meinerAusbildung 2006, jung und Single,habe ich gerne nachts und spät gearbeitet,so konnte mich vor oder nachdem Dienst mit Freunden treffen. Espasste zu meinem Leben. Seitdem ichMutter bin, gehöre ich zu den Frühdienstfans.So kann ich mein privatesLeben am besten koordinieren.

Spätdiensteleiste ich grundsätzlich nur amWochenende, nach Nachtdienstenschlafe ich, während mein Sohn in derKita ist. Mehr als vier Stunden Schlafsind es dann oft nicht für mich. Bisjetzt kann ich damit gut umgehen, dasliegt vielleicht auch an meiner Einstellungund daran, dass ich meinen Berufmit ganzem Herzen ausübe.

Mein  Tipp: Die freien Tage genießen, dieHausarbeit auch mal liegen lassen undlernen, ab und an Nein zu sagen!“

   
Tipps für Menschen, die im Schichtdienst arbeiten
  • Ausgewogene, leichte Ernährung
  • Ausreichend kurze Arbeitspausen
  • Mobile Entspannung
  • Aktive Freizeitgestaltung
  • Soziale Kontakte
 

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Dieser Artikel ist auch im Vivantes Magazin gesund!, Ausgabe 2/2022 erschienen.