Sichere Diagnose des Prostatakarzinoms
Eine Krebsdiagnose ist für Betroffene ein schwerer Schicksalsschlag. Für eine gute onkologische Behandlung ist eine sichere Diagnose die wichtigste Voraussetzung. Der Urologe Dr. Karsten Günzel leitet die Prostatakarzinom-Diagnostik, ist also Experte auf diesem Gebiet. Der Oberarzt der Urologie im Vivantes Klinikum Am Urban berichtet im Blog-Interview über neuste medizinische Erkenntnisse.
Herr Dr. Günzel, Sie sprechen im Bereich der Diagnose von einem Game Changer. Wie wurden Karzinome der Prostata bisher diagnostiziert?
Günzel: Für die Diagnose eines Prostatakarzinoms wird bei Patienten eine Biopsie durchgeführt, d.h. es wird Gewebe entnommen und untersucht. Üblicherweise erfolgen die Gewebeentnahmen als ungezielte, systematische Biopsien aus vordefinierten Bereichen der Prostata. Mit einer multiparametrischen Magnetresonanztomographie (mpMRT) der Prostata kann ein Karzinom präzise lokalisiert werden. Die Aufnahmen der MRT können mit einem Ultraschall zusammengeführt-fusioniert werden. Dadurch werden die Informationen der MRT für die gezielte Gewebeentnahme nutzbar. Diese Technik nennt man MRT/Ultraschall-Fusionsbiopsie.
Und was wird jetzt bei der „transperinealen MRT-Ultraschall-Fusionsbiopsie“ anders gemacht, als bisher?
Günzel: Zum einen sind wir nun in der Lage gezielte Gewebeentnahmen durchzuführen. Zum anderen haben wir den Zugangsweg zur Prostata verändert. Der bisher am häufigsten genutzte Zugang verläuft durch den Enddarm (transrektal). Dieser ist naturgemäß bakteriell kontaminiert. Dadurch besteht ein erhöhtes Risiko für Infektionen nach der Gewebeentnahme trotz einer regelhaften antibiotischen Prophylaxe. Wir nutzen seit April deswegen nur noch den Zugang über die Haut im Dammbereich.
6 wichtige Publikationen in internationalen urologischen Fachzeitschriften wurden gemeinsam mit der Universitätsklinik Oslo zur perinealen Prostatabiopsie veröffentlicht
Ist es überhaupt gut, wenn man vorbeugend Antibiotika nimmt, mit Blick auf die zunehmenden Resistenzen?
Günzel: Das ist richtig – aufgrund zunehmender Antibiotikaresistenzen wird der prophylaktische Einsatz von Antibiotika kritisch gesehen.
Und das Infektions-Risiko existiert beim perinealen Zugang über den Damm nicht?
Günzel: Die Haut im Dammbereich kann steril abgewaschen werden, wodurch das Infektionsrisiko deutlich gesenkt und eine antibiotische Prophylaxe überflüssig wird. Wir konnten mit einer Studie, die in der Fachzeitung „the lancet“ veröffentlicht wurde, beweisen, dass bei dem Zugangsweg über den Damm auf die Antibiotika-Prophylaxe verzichtet werden kann. Das ist eine sehr wichtige Erkenntnis, wenn man überlegt, dass im Jahr deutlich mehr als 100.000 Prostatabiopsien in Deutschland erfolgen. Unsere Studienergebnisse werden die zukünftigen urologischen Leitlinien beeinflussen.
Zum Vergleich: 2016 wurden im Vivantes Klinikum Am Urban 216 transrektale Prostatabiopsien durchgeführt, im Jahr 2022 1237 transperineale Prostatabiopsien.
Und was sind Ihre nächsten Pläne?
Günzel: Wir setzen gerade zwei Projekte um, in denen wir eine KI-unterstütze MRT-Analyse-Software nutzen. Die zusammengeführten Daten können wir dann ebenfalls bei der MRT-Ultraschall-Fusionsbiopsie der Prostata einsetzen, um die Diagnostik hinsichtlich des Prostatakarzinomnachweises weiter zu verbessern.
Mit der Etablierung der transperinealen MRT-Ultraschall-Fusionsbiopsien der Prostata hat Oberarzt Dr. Karsten Günzel den Ideenwettbewerb
Vivantes ausgezeichnet!
gewonnen.
Den Preis für "Vivantes ausgezeichnet!" erhalten Vivantes Mitarbeiter*innen für besonderes Engagement. Seit 2016 wird der Preis jährlich in den Kategorien Forschung und Lehre, Soziales, Qualität sowie als Jurypreis verliehen.