Erste Physician Assistant bei Vivantes: „Ich bin eine Schnittstelle“
Vor allem für Patientinnen und Patienten da
Sonja Driesner trägt einen Arztkittel. Sie ist bei der Visite dabei und kontrolliert die Laborwerte, aber sie ist keine Ärztin. Sie kümmert sich um das Überleitungsmanagement, aber sie ist keine Pflegerin. Sie assistiert bei OPs und näht OP-Wunden, aber sie ist keine Chirurgin. Als Physician Assistant im auf der unfallchirurgischen Station 21 im Vivantes Klinikum Spandau ist unterstützt sie alle Berufsgruppen und ist vor allem für die Patient*innen da.
Frau Driesner, was machen Sie als Physician Assistant (kurz PA)?
Sonja Driesner: „Da ich ärztliche Tätigkeiten mit übernehme, bin ich vor allem bei der Behandlung auf der Station mit dabei – von der Aufnahme, über die OP bis zur Entlassung. Ich bin dabei sozusagen Bindeglied zwischen Pflege und ärztlichem Bereich. Obwohl ich hier dem ärztlichen Team zugeordnet bin, bin ich keine Ärztin – ich übernehme eben die ärztlichen Tätigkeiten, die mir delegiert werden können und ich arbeite eng mit der Pflege zusammen. Das ist ein medizinisch-akademischer Beruf, der relativ neu ist.“
Wohin kann ich mich entwickeln - wenn ich keine Ärztin werden will?
Wie kamen Sie denn auf die Idee, PA zu werden?
Driesner: „Das war Eigeninteresse, nach der Ausbildung zur MFA habe ich den Fachwirt für ambulante medizinische Versorgung gemacht. Als ich im Krankenhaus angefangen habe zu arbeiten, habe ich mich gefragt: Wohin kann ich mich entwickeln? Klar war mir: Ärztin wollte ich nicht werden, das hätte zu mir nicht gepasst. So bin ich darauf gekommen.“
Dafür haben Sie studiert?
Driesner: „Ja, ich bin gerade im Herbst 2022 mit dem Studium fertig geworden und habe berufsbegleitend studiert. Das bedeutet, ich habe als MFA hier am Vivantes Klinikum Spandau weitergearbeitet und konnte das mit dem Physician Assistant-Studium an einer Münchener Hochschule vereinbaren, weil mich auch die Klinik und der Chefarzt Herr Privatdozent Dr. Schwabe sehr unterstützt haben. Vieles lief aber auch im Fernstudium online, es war ja auch Pandemie…“
Glückwunsch zum Studienabschluss - wie waren denn die ersten Monate in der neuen Position? Sind Sie im Team gut angekommen?
Driesner: „Danke! Ja, meine neue Rolle habe ich jetzt seit November 2022. Ich bin noch im selben Team, nur eben in einer anderen Position. Es ist natürlich toll, dass ich mich schon gut auskenne, auch wenn vieles jetzt für mich neu ist. Mir wurde viel erklärt und gezeigt, ich bin hauptsächlich „mitgelaufen“, aber nach und nach arbeite ich selbständiger.“
Von Ananmese über Blutabnahme bis Visite
Wo sind Sie eingesetzt und was machen Sie konkret?
Driesner: „Hauptsächlich bin ich aktuell auf der Station 21 tätig, das ist die unfallchirurgische Station der Endoprothetik und der Schulterchirurgie. Morgens mache ich Übergabe mit den Ärzt*innen, dann gehen wir zusammen zur Pflege und besprechen, was aktuell ansteht. Ich kann vieles dann an die Koll*innen in der Pflege delegieren und sie können mich fragen, das entlastet die Ärzt*innen.
Ich bin zum Beispiel auch als Unterstützung bei der Visite dabei, da gehe ich den Ärzt*innen zur Hand, etwa mit Verbandswechseln oder Dokumentation. Ich bespreche die aktuelle Anamnese mit Ärzt*innen und Pflege, mache Blutabnahmen und betreue auch insgesamt den Behandlungsverlauf mit. Dazu gehört es auch, auch die Laborbewerte im Auge zu behalten, Untersuchungen unterstützend zu befunden und auch die Medikation in Absprache mit den Ärzt*innen anzupassen. Bei leichteren Fällen kann ich demnächst die Visite demnächst sogar selbst machen.“
Eine ganze Menge, aber Sie sind nicht „nur“ auf der Station?
Driesner: „Stimmt, auch im Büro und im OP. Der Papierkram gehört eben dazu, da kann ich auch die anderen entlasten: Entlassbriefe verfassen, Physiotherapie und oder Reha anmelden sind typischen Aufgaben. Aber das mache ich sehr gern! Mir liegt die Verwaltung.“
Und im OP?
Driesner: „Im OP war ich vorher kaum, daher ist das Neuland für mich. Meine ersten Einrücke im OP waren sehr gut. Ich habe schon mit assistiert, zum Beispiel kann ich helfen, vor der OP den Patienten zu lagern und den Zugangsbereich steril abzuwaschen. Mittlerweile darf ich OP-Wunden reinigen und auch zunähen. An der Uni hatte ich viel Theorie, aber auch einen praktischen Nahtkurs – das hilft mir jetzt natürlich. Jedes Mal im OP mache ich quasi einen kleinen Schritt, bald darf ich hoffentlich auch den OP-Zugang legen und einen Hautschnitt machen. Das ist sehr spannend. Im Moment mache etwa eine OP am Tag mit, derzeit primär Schulter- und Endoprothetik-Eingriffe.“
Physician Assistants haben studiert und erfüllen die formalen Voraussetzungen, um deligierbare Tätigkeiten in der Patientenversorgung selbstständig zu übernehmen – allerdings immer auf Anordnung, denn zuvor waren diese Tätigkeiten Ärzt*innen vorbehalten.
Das deutsche Gesundheitswesen steht vor großen Herausforderungen. Die Menschen werden einerseits älter und damit anfälliger für Erkrankungen, und andererseits wird der Fachkräftemangel in medizinischen und pflegerischen Professionen wird immer offensichtlicher. Daher können neue Berufe, die vielseitige und verantwortungsvolle Tätigkeiten in der Patientenversorgung wahrnehmen können, wichtiger werden. Einer dieser neuen Gesundheitsberufe ist der Physician Assistant.
Was lernen Physician Assistants?
Physician Assistants absolvieren ein breitgefächertes, praktisch orientiertes Hochschulstudium der angewandten Medizin. Um diesen Standard auch zukünftig sicherzustellen, hat der Deutsche Hochschulverband Physician Assistant e.V. ein einheitliches Basiscurriculum PA-Studiums beschlossen. naturwissenschaftliche und medizinische Grundlagen, bieten Ihnen klinische Vertiefungen. Dazu kommen Schwerpunktfächer sowie Soft Skills, Dokumentation oder Projektmanagement. Zentrale Fächer sind Anatomie, Pathophysiologie, Untersuchungsverfahren sowie fach- und fallspezifisches Handeln in der operativen und konservativen Medizin.
Gibt es in anderen Ländern Physician Assistants?
Ja. In den USA, Kanada, Australien, Neuseeland, China, Südafrika und in vielen anderen Ländern wurde das Berufsbild PA bereits erfolgreich in das Gesundheitswesen integriert.
Auch in Europa leistet das Berufsbild: "Physician Assistant" inzwischen einen Beitrag zur medizinischen Versorgung. Insbesondere in den Niederlanden und Großbritannien erfährt es auch von Seiten der Regierungen die notwendige Unterstützung.