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Deutschland im Fußballfieber – lieber nicht aus der Hüfte schießen!

Sport ist gesund, aber Fußball, Ballett, Karate, Kickboxen und Kraftdreikampf - sogar Yoga können zu Hüftbeschwerden führen. Sportmediziner Dr. Alexander Moser, Leitender Arzt der Hüftchirurgie und Sportorthopädie aus dem Zentrum für Muskuloskelettale Medizin im Vivantes Klinikum im Friedrichshain erklärt wieso.
 

Die Fußball-Europameisterschaft 2021 geht gerade los. Statt selbst zu kicken, dürften die meisten die Tore auf dem Bildschirm verfolgen. Das ist wahrscheinlich auch ungefährlicher – denn „gerade Fußballer*innen im Leistungssport haben häufiger Hüftprobleme, als man annehmen möchte“, sagt Sportmediziner Dr. Alexander Moser, Leitender Arzt der Hüftchirurgie und Sportorthopädie aus dem Zentrum für Muskuloskelettale Medizin im Vivantes Klinikum im Friedrichshain. Er operiert regelmäßig Spitzensportler wie Profikicker, mitunter sogar Spieler*Innen aus der Nationalmannschaft und der ersten Liga und ist Spezialist für gelenkerhaltende Hüftoperationen.

Bei Sportverletzungen denkt man im Fußball eher an Knieprobleme wie einen Meniskusriss. Warum ist Fußball schlecht für die Hüfte?

Dr. Alexander Moser: "Auch am Hüftgelenk gibt es weichteilige Strukturen, ähnlich wie zum Beispiel dem Meniskus am Kniegelenk, die beim Sport verletzt werden können. Unbehandelt führen Verletzungen des Gelenkes zu einem vorzeitigen Hüftverschleiß (Koxarthrose). Für Fußballer*innen ist die Wahrscheinlichkeit eines vorzeitigen Hüftverschleißes verdoppelt, Profis haben sogar ein sechsfach höheres Risiko.

Verletzte Hüfte? Zumeist unterschätzt

Verletzungen am Hüftgelenk sind häufig und manchmal schwerwiegend, sie werden von Betroffenen und Ärztinnen und Ärzten aber zumeist unterschätzt und abgetan. Viele denken bei den Schmerzen der Hüftregion erstmal an eine Leistenzerrung oder eine andere Muskelüberlastung. Weil die Hüfte tief im Körper liegt, ist die Diagnostik anspruchsvoll. Umso wichtiger ist es, Schmerzen ernst zu nehmen und einen Spezialisten aufzusuchen."

Die Hüfte ist doch ein stabiles Gelenk - wie kommt es zu Hüftverletzungen?

Moser: "Das typische Schädigungsmuster sind weite Bewegungen wie zum Beispiel beim Fußballschuss. Nicht umsonst ist bei Fußballern häufiger das Gelenk des Schussbeins betroffen. Aber auch bei Sportarten wie Yoga, Ballett, Karate, Kickboxen und Kraftdreikampf kommt es sehr oft zu Hüftverletzungen."

Auch Yoga, Karate, Bodybuilding oder Ballett gehen auf die Hüfte

Yoga wird doch eher als schonender Sport wahrgenommen. Was haben diese Sportarten gemeinsam?

Moser: "Bei all diesen Beispielen wird der Bewegungsradius der Hüfte überbeansprucht. Die Hüfte braucht zwar Bewegung, aber anders als die Schulter, die muskel- und bandgeführt ist, wird die Hüfte von Knochen geführt und hat weniger Bewegungsspielraum. Deshalb kann zum Beispiel der hohe Tritt des Karatekämpfers, der Spagat im Ballett oder die tiefe Kniebeuge und Beinpresse beim Bodybuilding die Hüfte auf Dauer schädigen."

Hüftprobleme werden meist mit Altersverschleiß in Verbindung gebracht. Sie operieren dagegen auch sehr junge Menschen – wie kommt das?

Moser: "Neben den angesprochenen Hüftverletzungen kann es schon bei Kindern im Alter von ca. 10 bis 14 Jahren zu Hüftverformungen durch intensives Training kommen. Bei Kindern und Jugendlichen, die noch wachsen, sind die Knochen sehr empfindlich, gerade die Wachstumsfuge zwischen Schenkelhals und Hüftkopf."

Starke mechanische Kräfte: Wie der Hüpfkopf sich verformt

"Beim Sport wirken starke mechanische Kräfte und es kann zu einem leichten, Abrutschen des Hüftkopfes kommen, das unbemerkt bleibt. So kann der Hüftkopfes sich ungünstig verformen und passt nicht mehr zum Gelenkpartner im Kugelgelenk. Das kann dann, abhängig davon wie die Hüfte belastet wird, nach einigen Jahren zu einem Schaden im Hüftgelenk führen. Das typische Symptom für eine Hüftschädigung ist der Leistenschmerz und die Bewegungseinschränkung."

Wie sollten länger andauernde Hüft- und Leistenschmerzen bei jungen Menschen behandelt werden?

Moser: "Eine Operation sollte immer das letzte Mittel sein, eine konservative Behandlung ist im Anfangsstadium der Beschwerden zu bevorzugen. Manchmal kann eine Umstellung des Trainings oder ein Wechsel der Sportart helfen. Häufig sehen wir aber, dass Fußballer*innen wegen Hüft- und Leistenschmerzen immer wieder ausfallen und nicht mehr spielfähig werden.

In jedem Fall müssen Verletzungen des Gelenkes frühzeitig behandelt werden, um eine nachhaltige Schädigung zu vermeiden. Gerade bei stärkeren Bewegungseinschränkungen - wie bei Verformungen der Hüftknochen – ist das nur durch einen operativen Eingriff zu erreichen."

Auf welche Operationen ist Ihre Klinik spezialisiert?

Moser: Wir bieten das ganze Spektrum der Behandlung von Hüftgelenkserkrankungen des Jugendlichen und Erwachsenen an. Angefangen von einer gezielten konservativen Behandlung über minimalinvasive  Gelenkspiegelungen (Arthroskopien), bei denen Korrekturen der Gelenkpfanne und des Hüftkopfes vorgenommen werden und auch weichteilige Strukturen repariert werden können, bis hin zu Beckenumstellungen bei Dysplasien, oder den Einsatz einer minimalinvasiven Hüftprothese.

Letztes Mittel: OP - auch Fußballprofis erfolgreich behandelt

Menschen klagen aber auch nach Hüftoperationen häufig über Beschwerden…

Moser: "Natürlich gehört eine Hüftoperation bei Sportlern in Spezialistenhände – eine langjährige Erfahrung ist notwendig. Wir führen in meiner Abteilung seit vielen Jahren bis zu 4 Hüftoperationen täglich durch. Mit einer guten Diagnostik und der richtigen Operation durch einen erfahrenen Sportorthopäden lassen sich sehr gute Ergebnisse nach Hüftoperationen erzielen.

Allein im letzten Jahr wurden bei uns einige Fußballprofis operiert, die zuvor trotz konservativer Behandlung über Monate wegen Schmerzen nicht mehr spielen konnten. Erfreulicherweise konnten alle nach der Operation und abgeschlossener Rehabilitation in ihren Vereinen wieder eingesetzt werden."

 


Fotos: Fußball - bottomlayercz0 auf pixabay; Porträts Moser - Photos © PhotoKomposition.de A. Baé