Veröffentlicht am

Endometriose: Mehr als Bauchweh

Häufig dauert es mehrere Jahre von den ersten Beschwerden bis zur Diagnose einer Endometriose. Dabei betrifft die Unterleibserkrankung viele Frauen – und sie verursacht starke Schmerzen.

Manche Frauen krümmen sich vor Schmerzen, nichts geht mehr, Übelkeit und Erbrechen setzen ein. Andere werden einfach nicht schwanger. Beschrieben werden hier mögliche Symptome einer Endometriose. Eine Erkrankung, die lange kaum Beachtung in der Öffentlichkeit fand.

„Dabei leiden bis zu zehn Prozent der Bevölkerung daran“, berichtet Prof. Dr. Mandy Mangler, Chefärztin der Klinik für Gynäkologie und Geburtsmedizin am Vivantes Auguste-Viktoria-Klinikum und Chefärztin der Klinik für Gynäkologie am Vivantes Klinikum Neukölln. „Häufig tritt Endometriose dann auf, wenn die Menstruation regelmäßig einsetzt.“ Manche Frauen haben schon mit dem Einsetzen der ersten Menstruation starke Beschwerden, andere wiederum kommen gut durch die Teenagerzeit, und es wird erst später schlimmer.

Der Verlauf ist individuell. Es gibt oft Beschwerden, die chronisch werden. Was bei Endometriose passiert? Bei der Erkrankung wächst Gewebe, das der Gebärmutterschleimhaut ähnelt, außerhalb der Gebärmutterhöhle, etwa am Bauchfell oder im Darm. „Die Ansiedlungen – oft Herde genannt – können während der Menstruation bluten und schmerzen“, sagt Prof. Dr. Mandy Mangler.

csm_mandy-mangler-gynaekologie-auguste-viktoria-krankenhaus

Kranke Gebärmutter-Zellen wandern in den Körper und pflanzen sich dort ein. Helfen kann dann eine mehrstufige Therapie: Wenn man konservativ behandelt, versucht man es zunächst mit Bewegung, gesunder Ernährung, pflanzlichen Mittel und etwa Akupunktur.

Chefärztin der Klinik für Gynäkologie und Geburtsmedizin am Vivantes Auguste-Viktoria-Klinikum und Chefärztin der Klinik für Gynäkologie am Vivantes Klinikum NeuköllnProf. Dr. Mandy Mangler

Den Ursachen auf der Spur

„Die Gebärmutter ist verändert. Kranke Gebärmutter-Zellen wandern in den Körper und pflanzen sich dort ein. Helfen kann eine Therapie, die mehrstufig ist“, erklärt Prof. Dr. Mandy Mangler. Möglich ist ein konservativer Ansatz, in dem es um Bewegung, eine gesunde Ernährung, pflanzliche Mittel und etwa Akupunktur geht. „Greifen solche Maßnahmen nicht, lassen sich die Einnahme von Hormonen oder eine Operation dazu kombinieren.“ Früher wurde, wenn die Lebensqualität so stark eingeschränkt war, dass gar nichts mehr funktioniert, häufiger die Gebärmutter entfernt. „Heute versucht man, die Gebärmutter zu erhalten.“

Mehr Aufmerksamkeit und Infos gefordert

„Von den ersten Beschwerden bis zur Diagnose dauert es rund acht Jahre“, sagt die Chefärztin. Das ist viel zu lange. „Manche meinen, Frauen und Schmerzen – das gehöre zusammen. Steht schon in der Bibel“, führt Prof. Dr. Mandy Mangler aus und betont: „Es braucht deutlich mehr Aufmerksamkeit für die Erkrankung.“ Denn hier geht es um starke Schmerzen und nicht um ein wenig Bauchweh. Endometriose kann die Lebensqualität deutlich mindern. Häufig ist auch die Sexualität betroffen. Leidet die Partnerin etwa einmal im Monat oder bei einer chronischen Erkrankung dauerhaft, beeinflusst das natürlich eine Partnerschaft. Der Umgang mit der Erkrankung erfordert viel Einfühlungsvermögen. „Wir sollten als Gesellschaft Wert darauflegen, dass betroffene Personen gut informiert sind und die Krankheit Beachtung und Verständnis findet.“

 

Interview: Drei Fragen zu OPs bei Endometriose an Dr. med. Skander Bouassida

Eigentlich behandeln Frauenärzt*innen Endometriose und operieren sie auch. Ist die Erkrankung weit fortgeschritten und der Darm betroffen, kommen Dr. Bouassida und sein Team in der Klinik zum Einsatz. Dr. med. Skander Bouassida, FEBS (Fellow of the European Board of Surgery) ist Chefarzt der Klinik für Koloproktologie, Leiter des zertifizierten Kompetenzzentrums für Koloproktologie und des Darmzentrums am Vivantes Humboldt-Klinikum.

Herr Dr. Bouassida, wie funktioniert das mit der Bauchspiegelung?

Dr. med. Skander Bouassida: „Eine Operation ist die letzte Stufe einer Endometriosebehandlung, wenn Schmerz- und Hormontherapie sowie weitere Maßnahmen nicht helfen. Wichtig ist, rechtzeitig zu operieren. Es darf nicht zu spät operiert werden: Manchmal sehen wir etwa geplagte Frauen, die mit Darmverschluss kommen. Eine OP mit großem Bauchschnitt führen wir nur noch ausnahmsweise durch – wenn es nicht anders geht. Bei der von uns bevorzugten Bauchspiegelung setzen wir Mini-Stiche durch die Bauchdecke und gelangen so schonend in die Bauchhöhle. Bei dieser OP setzen wir lange, dünne Instrumente ein. Dabei unterstützt uns eine Maschine, der Da-Vinci Roboter. Den Roboterarm und die 3-D-Kamera steuere ich über eine Konsole. Diese Top-Technologie macht derartige Eingriffe noch schonender für die Patientinnen.“

 

Es darf nicht zu spät operiert werden: Manchmal sehen wir etwa geplagte Frauen, die mit Darmverschluss kommen. Bei der von uns bevorzugten Bauchspiegelung setzen wir Mini-Stiche durch die Bauchdecke und gelangen so schonend in die Bauchhöhle. Dabei unterstützt uns eine Maschine, der Da-Vinci Roboter. Diese Top-Technologie macht derartige Eingriffe noch schonender für die Patientinnen.

Chefarzt der Klinik für Koloproktologie, Leiter des zertifizierten Kompetenzzentrums für Koloproktologie und des Darmzentrums am Vivantes Humboldt-Klinikum, FEBSDr. Skander Bouassida

Reicht eine OP – und wie sieht die Prognose aus?

Bouassida: „Ist der Darm von Endometriose-Herden befreit, ist die Prognose gut. Beeinflusst werden die vier Hauptsymptome der Endometriose: Darmentleerungsstörung, Schmerz, Blutung und Fertilität. Am besten wird die Darmentleerung durch eine Darmoperation gebessert. Der Schmerz, insbesondere dann, wenn er lange unbehandelt erduldet wurde, ist manchmal schwieriger zu verbessern. Wichtig für die Prognose ist dabei der multimodale Ansatz: Die Operation muss interdisziplinär mit Beckenbodentraining, Hormon-, Schmerz- und Ernährungstherapie sowie Sport, Entspannungsübungen etc. kombiniert werden. Besonders bei Kinderwunsch ist die schonende, genaue OP-Methode wertvoll. Die Nachbehandlung erfolgt gemeinsam mit einer Kinderwunsch-Sprechstunde.“

Kinderwunsch? Dann ist die schonende, genaue OP-Methode besonders wertvoll

Wie bereite ich mich auf die OP vor und wie lange bin ich danach bewegungseingeschränkt?

Bouassida: „Gut ist, wenn die Patientinnen körperlich fit zur OP kommen. Auch die psychologische Unterstützung ist wichtig. Wir empfehlen vor aufwendigen Darmeingriffen eine eiweißreiche Ernährung, viele Vitamine und sogar sportliche Betätigung. Ziel ist, eine „belastbare“ Patientin zu operieren. Nach der OP sind die Patientinnen weitgehend schmerzarm und werden ermuntert, noch am gleichen Tag aufzustehen und etwa zur Toilette zu gehen, sich anzuziehen und leichte Kost zu sich zu nehmen. Der Morgenkaffee darf nicht fehlen! Sie bleiben bei der Rektumendometriose rund sechs Tage in der Klinik. Mein Team und ich stehen auch nach der Entlassung zur Verfügung, falls postoperative Beschwerden noch bestehen sollten. Die meisten Frauen sind zufrieden und gehen ganz problemlos zur weiteren Behandlung zu ihrer Frauenärztin oder ihrem Frauenarzt. Danach wird ein Darmchirurg hoffentlich nie wieder benötigt.“

 
 

"gesund": Unser Magazin

Dieser Artikel ist auch erscheinen im Vivantes Magazin, Ausgabe 3 / 2022.

Zum Download

Zum allen "gesund" Magazinen