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Symptome von Endometriose: Mehr als Bauchweh

Endometriose - die Unterleibserkrankung betrifft viele Frauen und sie verursacht oft starke Schmerzen. Manche Betroffene wissen gar nicht, dass sie erkrankt sind, weil die Krankheit noch zu wenig bekannt ist. Über Symptome, Ursachen, Diagnose und Behandlung und mehr informiert Chefarzt Dr. Zaher Halwani vom Deutschen Endometriosezentrum Berlin.

Herr Dr. Halwani, was sind häufige Symptome für Endometriose? 

Dr. Zaher Halwani, Chefarzt der Klinik für Gynäkologie und Geburtsmedizin am Vivantes Humboldt-Klinikum in berlin-Reinickendorf: 
Es gibt offensichtliche und eher verdeckte Symptome für Endometriose: Offensichtliche Symptome wie Blut im Stuhlgang oder Schmerzen beim Wasserlassen hat jedoch nicht jede betroffene Frau. Zu den verdeckten, eher unklaren Symptomen zählen manchmal sehr starke Schmerzen im Unterleib, Schmerzen beim Geschlechtsverkehr oder Unfruchtbarkeit. Unfruchtbarkeit fällt oft erst auf, wenn Frauen versuchen schwanger zu werden. Dann leiden sie aber oft schon jahrelang an Endometriose. Daher ist eine klare Diagnose oft nicht so einfach und daher oft nicht so schnell.

Warum wird die Endometriose oft erst spät diagnostiziert? Brauchen wir mehr Aufklärung über diese Erkrankung?

Ja, wir brauchen mehr Aufklärung. Wir gehen heute davon aus, dass jede fünfte bis zehnte Frau vom Jugendalter bis zur Menopause von Endometriose betroffen ist. Viele Patientinnen werden nicht ernstgenommen, und das aus ganz unterschiedlichen Gründen. Oft haben auch ihre Mütter ähnliches erlebt, wissen jedoch nichts über diese Krankheit und manchmal werden Schmerzen dann schon in der Familie runtergespielt und als „normal“ hingenommen. Ein weiterer wichtiger Punkt: Viele Gynäkologinnen und Gynäkologen haben keine speziellen Sprechstunden und in ihren regulären Sprechstunden oft nicht genug Zeit, das Thema zu behandeln – das wird auch nicht von den nicht von Krankenkasse übernommen. Da liegt also schon ein Fehler im System.

Das Wichtigste für eine Diagnose der Endometriose ist die Anamnese, also genau zuzuhören, nachzufragen und die Krankheitsgeschichte systematisch aufzunehmen. Viele Patientinnen berichten etwa, dass sie starke, chronische Unterleibsschmerzen haben und das schon seit längerem – und oft auch unabhängig von der Menstruation.

Chefarzt der Klinik für Gynäkologie und Geburtsmedizin am Vivantes Humboldt-KlinikumDr. med. Dipl.-Mus. Zaher Halwan

Wenn niedergelassenen Gynäkologinnen und Gynäkologen oft gar nicht die Möglichkeit haben, Endometriose festzustellen, wohin können sich betroffene Frauen wenden? Gibt es spezielle Endometriosesprechstunden?

Ja, es gibt spezialisierte Praxen oder auch Kliniken, die Sprechstunden anbieten. Auch bei uns am Deutschen Endometriosezentrum Berlin: Wir haben in der Gynäkologischen Ambulanz beziehungsweise in unserem Medizinischen Versorgungszentrum in Reinickendorf am Humboldt-Klinikum (Gynäkologische Onkologie | Vivantes MVZ) die Möglichkeit, Betroffene ausführlich zu Endometriose zu beraten und eine Diagnose zu stellen. Zu uns kann man mit oder ohne Überweisung von einem niedergelassenen Arzt kommen. Wir bieten auch eine Zweitmeinung an.

Wie erfolgt die Diagnose von Endometriose?

Das Wichtigste für eine Diagnose der Endometriose ist die Anamnese, also genau zuzuhören, nachzufragen und die Krankheitsgeschichte systematisch aufzunehmen. Viele Patientinnen berichten etwa, dass sie starke, chronische Unterleibsschmerzen haben und das schon seit längerem – und oft auch unabhängig von der Menstruation. Zur Diagnose einer Endometriose gehören natürlich auch eine gynäkologische Untersuchung und eine Sonografie oder ein MRT. So können erfahrene Expert*innen in Gebärmutter, Eierstöcken oder Eileitern oder sogar im Darm die Endometriose bestätigen. Wenn durch diese nicht-invasiven Verfahren keine Endometrioseherde zu finden sind, aber vieles auf eine Endometriose hindeutet, ist eine Laparoskopie, also eine Bauchspiegelung, das Beste. Bei der Bauchspiegelung entnehmen wir Gewebeproben, die dann untersucht werden. Bei der Bauchspiegelung können wir auch gleich schon Herde entfernen, Verklebungen lösen und Verwachsungen lösen, was häufig zu Besserungen führt.

Gibt es einen Test für Endometriose?

Einen Bluttest, der Endometriose anzeigen kann, gibt es zwar, jedoch kann dieser Endometriose Test auch auf eine andere Erkrankung hinweisen – er ist also nicht sehr spezifisch. Dieser Test hilft uns deshalb nicht endgültig weiter, weil er den Tumormarker CA 125 im Blut feststellen kann – und dieser Marker kann entweder die gutartige Endometriose oder eine Krebserkrankung in den Eierstöcken oder im Verdauungstrakt anzeigen. Daher führen wir den Test meistens nicht durch.

Wie werden die Schmerzen bei Endometriose behandelt?

Jeder Mensch hat andere Schmerzskala – das gilt auch für Endometriose. Es gibt Frauen, die haben verhältnismäßig wenig Endometriose und sehr starke Schmerzen. Und es gibt andererseits Frauen mit tiefsitzender und weit verbreiteter Endometriose, die kaum Beschwerden haben. Auch Sitz der Endometriose kann zu unterschiedlich starken Schmerzen führen – beispielsweise führen starke Verklebungen im Darm zu Schmerzen beim Stuhlgang. Die Endometriose Behandlung ist individuell. Je nach Patientin helfen bei Endometriose eine individuelle Schmerztherapie und Naturheilverfahren ein oder auch eine Hormontherapie. Die Schmerztherapie gestalten wir individuell und auch Techniken wie Akupunktur oder Bewegung wie Yoga oder Tai-Chi können Linderung bringen. Für die hormonelle Therapie kommen etwa Tabletten, Spritzen oder eine Hormonspirale in Frage und diese versetzen die Frau quasi künstlich in Wechseljahre: Vor allem erreichen wir das über Gestagene, also Gelbkörperhormone, die Endometrioseherde in ihrem Wachstum hemmen können.

Wann sollte Endometriose operiert werden?

Zu einer Operation raten wir meist erst bei starken Schmerzen und wenn andere Therapien nicht helfen sowie nach Rücksprache mit Ärzt*innen zum Thema Kinderwunsch. Auch bei Zystenbildung kann eine Operation der Endometriose sinnvoll sein. Wir operieren immer nervenschonend und minimalinvasiv oder aber wir setzen roboterassistierte Chirurgie ein, dazu nutzen wir das Da Vinci System. Wir haben auch viele Kooperationspartner intern – dazu gehören die Chirurgie, die Koloproktologie, die Urologie, die Radiologie, die Psychiatrie und die Innere Medizin.

Was ist der Unterschied zwischen Endometriose und Adenomyose?

Adenomyose ist eine bestimmte Form der Endometriose, und zwar in der Gebärmuttermuskulatur – und eben nicht in der Schleimhaut. Patientinnen mit Adenomyose haben vor allem Blutungsprobleme, und zwar oft mit längeren Blutungen oder stärkeren Schmerzen. Im Unterschied dazu: Die Adenomyose kann man im Ultraschall meist gut erkennen. Endometriose kann man nicht immer im Ultraschall sehen, da dies Herde sind und solche manchmal nur über eine Bauchspiegelung erkennbar sind.

Kann Endometriose unfruchtbar machen?

Neue Daten zeigen, dass für die Frage, ob Endometriose zu Unfruchtbarkeit führen kann, entscheidend ist, wo die Endometriose liegt – wenn sie in Eierstöcken oder Eileitern ist, kann dies  durchaus zu Fertilitätsproblemen führen. Allerdings können wir das in fast allen Fällen gut therapieren, etwa durch künstliche Befruchtung, die die Endometrioseherde quasi umgeht. Liegt die Endometriose in der Gebärmutter, führt dies nicht zu Unfruchtbarkeit. Wichtig ist es auch, die Definition von „unfruchtbar“ zu kennen: Medizinisch gesehen würde man Endometriose als Ursache für Unfruchtbarkeit abklären, wenn eine Frau bereits mehr als sechs Monate versucht hat, schwanger zu werden und die Spermien des Mannes bereits als Ursache dafür ausgeschlossen wurden.

 
 

Mehr Infos und Kontakt

Zum Deutschen Endometriosezentrum Berlin: Endometriose - Reinickendorf | Vivantes

Gynäkologische Onkologie | Vivantes MVZ

Gynäkologische Ambulanz

Nachsorge, Myome, Endometriose, operative Sterilitätsbehandlung, amb. Gebärmutterspiegelung, Anmeldung und Planung zur Entbindung, GDM, stationäre Aufnahmen

Tel. 030130121851
Kontakt huk_gyn@vivantes.de
Montag – Freitag, 8:30 – 14:30 Uhr

 

Drei Fragen zu OPs bei Endometriose an Dr. Skander Bouassida

Eigentlich behandeln Frauenärzt*innen Endometriose und operieren sie auch. Ist die Erkrankung weit fortgeschritten und der Darm betroffen, kommen Dr. Bouassida und sein Team in der Klinik zum Einsatz. Dr. med. Skander Bouassida, FEBS (Fellow of the European Board of Surgery) ist Chefarzt der Klinik für Koloproktologie, Leiter des zertifizierten Kompetenzzentrums für Koloproktologie und des Darmzentrums am Vivantes Humboldt-Klinikum.

Herr Dr. Bouassida, wie funktioniert das mit der Bauchspiegelung bei Endometriose?

Dr. med. Skander Bouassida, Chefarzt der Klinik für Koloproktologie am Vivantes Humboldt-Klinikum: Eine Operation ist die letzte Stufe einer Endometriosebehandlung, wenn Schmerz- und Hormontherapie sowie weitere Maßnahmen nicht helfen. Wichtig ist, rechtzeitig zu operieren. Es darf nicht zu spät operiert werden: Manchmal sehen wir etwa geplagte Frauen, die mit Darmverschluss kommen. Eine OP mit großem Bauchschnitt führen wir nur noch ausnahmsweise durch – wenn es nicht anders geht. Bei der von uns bevorzugten Bauchspiegelung setzen wir Mini-Stiche durch die Bauchdecke und gelangen so schonend in die Bauchhöhle. Bei dieser OP setzen wir lange, dünne Instrumente ein. Dabei unterstützt uns eine Maschine, der Da-Vinci Roboter. Den Roboterarm und die 3-D-Kamera steuere ich über eine Konsole. Diese Top-Technologie macht derartige Eingriffe noch schonender für die Patientinnen.

 

Endometriose darf nicht zu spät operiert werden: Manchmal sehen wir etwa geplagte Frauen, die mit Darmverschluss kommen. Bei der von uns bevorzugten Bauchspiegelung setzen wir Mini-Stiche durch die Bauchdecke und gelangen so schonend in die Bauchhöhle. Dabei unterstützt uns eine Maschine, der Da-Vinci Roboter. Diese Top-Technologie macht derartige Eingriffe noch schonender für die Patientinnen.

Chefarzt der Klinik für Koloproktologie, Leiter des zertifizierten Kompetenzzentrums für Koloproktologie und des Darmzentrums am Vivantes Humboldt-Klinikum, FEBSDr. Skander Bouassida

Reicht eine OP – und wie sieht die Prognose aus?

„Ist der Darm von Endometriose-Herden befreit, ist die Prognose gut. Beeinflusst werden die vier Hauptsymptome der Endometriose: Darmentleerungsstörung, Schmerz, Blutung und Fertilität. Am besten wird die Darmentleerung durch eine Darmoperation gebessert. Der Schmerz, insbesondere dann, wenn er lange unbehandelt erduldet wurde, ist manchmal schwieriger zu verbessern. Wichtig für die Prognose ist dabei der multimodale Ansatz: Die Operation muss interdisziplinär mit Beckenbodentraining, Hormon-, Schmerz- und Ernährungstherapie sowie Sport, Entspannungsübungen etc. kombiniert werden. Besonders bei Kinderwunsch ist die schonende, genaue OP-Methode wertvoll. Die Nachbehandlung erfolgt gemeinsam mit einer Kinderwunsch-Sprechstunde.“

Kinderwunsch? Dann ist die schonende, genaue OP-Methode besonders wertvoll

Wie bereite ich mich auf die OP vor und wie lange bin ich danach bewegungseingeschränkt?

„Gut ist, wenn die Patientinnen körperlich fit zur OP kommen. Auch die psychologische Unterstützung ist wichtig. Wir empfehlen vor aufwendigen Darmeingriffen eine eiweißreiche Ernährung, viele Vitamine und sogar sportliche Betätigung. Ziel ist, eine „belastbare“ Patientin zu operieren. Nach der OP sind die Patientinnen weitgehend schmerzarm und werden ermuntert, noch am gleichen Tag aufzustehen und etwa zur Toilette zu gehen, sich anzuziehen und leichte Kost zu sich zu nehmen. Der Morgenkaffee darf nicht fehlen! Sie bleiben bei der Rektumendometriose rund sechs Tage in der Klinik. Mein Team und ich stehen auch nach der Entlassung zur Verfügung, falls postoperative Beschwerden noch bestehen sollten. Die meisten Frauen sind zufrieden und gehen ganz problemlos zur weiteren Behandlung zu ihrer Frauenärztin oder ihrem Frauenarzt. Danach wird ein Darmchirurg hoffentlich nie wieder benötigt.“