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Epilepsie oder nur ein einzelner epileptischer Anfall – Was Sie über Symptome wissen sollten

Jedes Jahr erleiden viele Menschen einen ersten epileptischen Anfall, der oft mit großen Sorgen verbunden ist. Was Angehörige bei einem Anfall tun sollten, was die Symptome eines epileptischen Anfalls sind und warum eine schnelle und sichere Diagnose eines epileptischen Anfalles so wichtig ist, erklärt die Leiterin des Berliner Epilepsiezentrums.

Epileptischer Anfall, Epilepsie oder ein anderer Anfall?

Epilepsie ist eine der häufigsten neurologischen Erkrankungen und kann Menschen jeden Alters betreffen.Doch ein einzelner Anfall bedeutet nicht automatisch, dass eine Epilepsie vorliegt. Deshalb ist es wichtig, nach einem solchen Ereignis schnell Klarheit zu bekommen. Prof. Dr. Bettina Schmitz, Leiterin des Berliner Epilepsiezentrums am Vivantes Humboldt-Klinikum, erläutert: „Ein epileptischer Anfall ist ein starkes Warnsignal, das immer abgeklärt werden sollte. Nur eine gründliche Diagnose hilft, die richtige Therapie zu finden und das Risiko weiterer Anfälle zu minimieren.“

Wenn jemand einen Anfall erlebt, stellt sich schnell die Frage: War das ein epileptischer Anfall oder eine andere Art von Anfall wie etwa eine Ohnmacht oder ein Fieberkrampf? Nicht jeder Anfall ist gleichbedeutend mit einer Epilepsie. Manchmal liegt nur ein einmaliges Ereignis vor, das durch äußere Umstände wie Fieber, Stress oder Schlafmangel ausgelöst wurde. „Von einer Epilepsie sprechen wir, wenn nach einem nicht provozierten Anfall die Wahrscheinlichkeit eines erneuten Anfalls innerhalb der nächsten zehn Jahre bei über 60 % liegt“, erklärt Prof. Schmitz.

Ein einzelner epileptischer Anfall ist noch keine Epilepsie

Ein einzelner Anfall rechtfertigt also noch nicht die Diagnose Epilepsie. Dennoch sollte nach einem solchen Ereignis rasch eine Abklärung erfolgen, um den Betroffenen Sicherheit zu geben und das Risiko weiterer Anfälle zu minimieren. „Die Diagnose stützt sich auf eine ausführliche Anamnese, die Berichte von Beobachtern des Anfalls und natürlich technische Untersuchungen wie das EEG“, sagt Prof. Schmitz.

Symptome: Woran erkenne ich einen epileptischen Anfall

Ein epileptischer Anfall entsteht durch eine plötzliche, unkontrollierte Überaktivität der Nervenzellen im Gehirn. Diese Entladungen können zu unterschiedlichen Symptomen führen, die vom Betroffenen und seinen Angehörigen genau beobachtet werden sollten. Häufig treten typische Symptome auf, die Anzeichen eines epileptischen Anfalls sein können:

  • Unkontrollierte Muskelzuckungen: Diese treten oft am ganzen Körper auf, können aber auch auf einzelne Muskelgruppen beschränkt sein.
  • Verlust des Bewusstseins: In vielen Fällen fällt die betroffene Person plötzlich zu Boden und reagiert für kurze Zeit nicht auf ihre Umwelt.
  • Abwesenheitszustände: Manche Betroffene starren für einige Sekunden ins Leere, ohne auf äußere Reize zu reagieren.
  • Plötzliches Verkrampfen: Einfrierende Bewegungen oder starre Haltungen können ebenfalls auf einen Anfall hindeuten.

Warum Beobachtende einen epileptischen Anfall filmen sollten

Prof. Schmitz betont: „Die Erscheinungsformen eines epileptischen Anfalls sind vielfältig. Es ist wichtig, dass Angehörige möglichst detailliert festhalten, was genau passiert ist, wie lange der Anfall gedauert hat und ob bestimmte Auslöser bekannt sind.“ Ein weiterer hilfreicher Tipp: „Wenn möglich, sollte der Anfall mit dem Smartphone aufgenommen werden. Das Video kann dann dem Arzt oder der Ärztin gezeigt werden, um die Diagnose zu erleichtern.“

Wichtige Tipps für Angehörige: Wann sollte bei einem epileptischen Anfall der Notarzt gerufen werden

Ein epileptischer Anfall kann für Außenstehende eine unbekannte Situation sein. Es gibt einfache Maßnahmen, die helfen, das Risiko für den Betroffenen zu minimieren. Prof. Schmitz gibt klare Anweisungen: „Legen Sie die betroffene Person auf die Seite und halten Sie den Kopf leicht nach hinten, um die Atemwege freizuhalten. Versuchen Sie, die Umgebung zu sichern, damit sich der Betroffene nicht verletzt. Aber stecken Sie auf keinen Fall etwas in den Mund.“

Nach dem Anfall sollte der Betroffene sich ausruhen und ärztlich untersucht werden. „Dauert der Anfall länger als fünf Minuten oder tritt ein zweiter Anfall direkt danach auf, rufen Sie unbedingt einen Notarzt“, rät Prof. Schmitz.

Ist es eine Epilepsie? Mit dem EEG ins Gehirn blicken

Das Elektroenzephalogramm (EEG) ist eines der wichtigsten Diagnosewerkzeuge bei Epilepsie. Mit Hilfe von Elektroden, die auf die Kopfhaut gesetzt werden, werden die elektrischen Aktivitäten des Gehirns gemessen. Prof. Schmitz erklärt: „Das EEG kann uns zeigen, ob und wie sich die Nervenzellen im Gehirn ungewöhnlich entladen. Besonders wichtig ist es, zu unterscheiden, ob es sich wirklich um epileptische Entladungen handelt oder ob andere Ursachen für den Anfall verantwortlich sind.“

Eine besondere Form des EEGs ist das Langzeit-Video-EEG, bei dem die Hirnströme über 72 Stunden oder länger dauerhaft aufgezeichnet werden. „Dieses Verfahren ist besonders dann sinnvoll, wenn Anfälle nur selten auftreten oder vor allem in der Nacht vorkommen. Oft werden nächtliche Anfälle gar nicht bemerkt und bleiben ohne diese Untersuchung unentdeckt“, erläutert Prof. Schmitz. Zudem kann das Langzeit-Video-EEG helfen, den Behandlungserfolg einer Therapie zu überprüfen und verborgene Anfallsereignisse zu erkennen.

 

Umfassende Diagnostik bei Verdacht auf Epilepsie

Neben dem EEG spielen auch weitere Untersuchungen eine Rolle bei der Diagnostik von Epilepsie. Dazu gehört eine gründliche Anamnese, bei der sowohl die Betroffenen als auch ihre Angehörigen befragt werden. „Manchmal sind es kleine Details, die entscheidend sein können – zum Beispiel, ob der Betroffene direkt vor dem Anfall unter starkem Stress stand oder in letzter Zeit ungewöhnliche Medikamente eingenommen hat“, betont Prof. Schmitz.

Auch andere neurologische Tests und Bildgebungsverfahren wie die Magnetresonanztomographie (MRT) können notwendig sein, um strukturelle Veränderungen im Gehirn zu erkennen, die für die Anfälle verantwortlich sein könnten. „Manchmal gibt es zugrundeliegende Erkrankungen wie Tumore, Entzündungen oder Stoffwechselstörungen -, die eine gezielte Therapie erfordern“, so Prof. Schmitz. „In diesen Fällen reicht die reine Behandlung der Anfälle nicht aus – es muss die Ursache behandelt werden, um langfristig Erfolg zu haben.“

Paroxysmale Ereignisse – Was ist, wenn es keine Epilepsie ist?

Nicht jeder Krampfanfall ist ein Zeichen von Epilepsie. Häufig ähneln andere Erkrankungen oder Zustände den Symptomen eines epileptischen Anfalls. Dazu gehören:

  • Synkopen: Kurzzeitige Ohnmachten, oft ausgelöst durch plötzlichen Blutdruckabfall.
  • Fieberkrämpfe: Diese betreffen vor allem Kinder im Alter von sechs Monaten bis fünf Jahren und treten bei hohen Körpertemperaturen auf.
  • Psychogene Anfälle: Diese werden durch psychische Belastungen ausgelöst und können Epilepsie-Anfällen täuschend ähnlichsehen.

Prof. Schmitz erklärt: „Deshalb ist es so wichtig, eine sorgfältige Abklärung vorzunehmen. Nur so kann man sicher feststellen, ob es sich um Epilepsie oder eine andere Ursache handelt.“

Mit Epilepsie gut leben: Frühzeitige Diagnose und individuelle Therapie sind entscheidend

Die Diagnose einer Epilepsie erfordert eine sorgfältige und umfassende Untersuchung. Das EEG spielt dabei eine zentrale Rolle, um epileptische Anfälle von anderen Anfällen zu unterscheiden. „Eine schnelle und präzise Diagnose ermöglicht es uns, die Therapie gezielt auf die Bedürfnisse der Betroffenen abzustimmen und das Risiko weiterer Anfälle zu minimieren“, schließt Prof. Schmitz ab. „Denn mit der richtigen Therapie können viele Patienten ein weitgehend normales und anfallsfreies Leben führen.“

 

Fotos: X21 Reiner Freese