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Krampfadern – alles im Fluss

Wenn sich in den Beinen das Blut staut, kommt es zu Krampfadern. Dr. Christiane Laun, Chefärztin der Gefäßchirurgie im Vivantes Klinikum Am Urban in Berlin-Kreuzberg, ist darauf spezialisiert, sie zu behandeln.

Wenn sich das Blut staut

Der Körper ist ein faszinierendes Gebilde. Das Herz pumpt unablässig Blut durch die Arterien, um den gesamten Organismus mit Sauerstoff zu versorgen. Durch die Venen fließt es wieder zurück und trotzt dabei sogar der Schwerkraft – wenn die Venenklappen tadellos schließen. Denn verschiedene Faktoren können dazu führen, dass sich das Blut staut und Krampfadern entstehen.

Krampfadern können erhebliche Beschwerden verursachen. Darüber spricht Dr. Christiane Laun, Chefärztin für Gefäßchirurgie an der Klinik für Visceral- und Gefäßchirurgie im Vivantes Klinikum Am Urban, im Interview.
 

Frau Dr. Laun, wer muss befürchten, im Laufe seines Lebens Krampfadern zu bekommen?

Dr. Christiane Laun: „Vor allem Frauen. Sie sind dreimal so häufig betroffen wie Männer. Hormonelle Einflüsse, in erster Linie mehrfache Schwangerschaften, erhöhen das Risiko weiter. Bei Krampfadern spielen zudem Veranlagung und ein höheres Lebensalter eine Rolle. Das trifft natürlich auch auf Männer zu.“

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Frauen sind von Krampfadern dreimal so häufig betroffen wie Männer. Hormonelle Einflüsse, in erster Linie mehrfache Schwangerschaften, erhöhen das Risiko weiter.

Chefärztin für Gefäßchirurgie an der Klinik für Visceral- und Gefäßchirurgie im Vivantes Klinikum Am UrbanDr. Christiane Laun

Viele Risikofaktoren - von Bewegungsmangel bis Verstopfung

Gibt es zusätzliche Risikofaktoren?

Laun: „Vor allem Übergewicht, Bewegungsmangel, Hitze, häufige Verstopfung, ungesunde Ernährung, viel Sitzen oder Stehen im Beruf. Das bezieht sich auf die primäre Varikosis – so heißt die Erkrankung an Krampfadern in der medizinischen Fachsprache. Außerdem gibt es noch das Klippel-Trénaunay-Syndrom. Das ist eine angeborene Krankheit, von der auch das Gefäßsystem betroffen ist.“

Es gibt also auch sekundäre Krampfadern?

Laun: „Ja, damit sind Krampfadern gemeint, die als Folge einer anderen Erkrankung entstehen, nämlich durch einen Gefäßverschluss (Thrombose) in den tieferen Beinvenen. Das Blut muss dann durch die oberflächlichen Beinvenen fließen, die sich durch den Druck weiten, sodass die Venenklappen nicht mehr richtig schließen.“

Schrumpfende Klappen und zu weite Venen

Wenn die Venenklappen nicht mehr schließen – wie kann man sich das vorstellen?

Laun: „Die Klappen funktionieren wie Ventile. Sie lassen Blut normalerweise nur in eine Richtung durch, damit es nicht zurückfließen kann. Wenn die Klappen durch Veränderungsprozesse schrumpfen oder die Venen sich weiten, entsteht eine Lücke zwischen Klappen und Gefäßwand, durch die das Blut wieder nach unten fließt.“

Woran merkt man das?

Laun: „Es gibt ein tiefes und ein oberflächliches Venensystem. Krampfadern entstehen immer in den oberflächlichen Venen, weswegen sie meistens zu sehen sind. Außerdem können sie Beschwerden verursachen, etwa schwere Beine, ein Brennen in Beinen und Füßen, Schmerzen und nächtliche Krämpfe.“
 

Sieben Tipps zur Vorbeugung von Krampfadern

1 - Regelmäßig bewegen
2 - Ausgewogen ernähren und mindestens anderthalb Liter pro Tag trinken
3 - Langes Stehen und Sitzen vermeiden
4 - Auf unnötige Hitze wie in der Sauna verzichten
5 - Keine einengende Kleidung tragen
6 - Schuhe mit flachen Absätzen wählen
7 - Wechselduschen anwenden

 

Wann sollte man sich untersuchen lassen?

Laun: „Beim ersten Verdacht. Die wichtigste Untersuchungsmethode ist die Duplexsonografie. Das ist eine spezielle Ultraschalluntersuchung, die den Blutfluss sichtbar macht. Das geht schnell, tut nicht weh und ist mit keinerlei Strahlenbelastung verbunden.“

Müssen Krampfadern immer behandelt werden?

Laun: „Im Anfangsstadium lässt sich der Verlauf noch durch konservative Maßnahmen hinauszögern, vor allem durch das Tragen von Kompressionsstrümpfen, Gefäßsport, manuelle Lymphdrainagen und physikalische Therapien wie Wassertreten oder Kneipp-Anwendungen. Wenn das nicht reicht, ist ein Eingriff nötig.“
 

Sie führen verschiedene Behandlungsmethoden durch, in der Regel ambulant...

Laun: „Das ist richtig. Der Standard-Eingriff ist das Stripping. Dabei werden die erkrankten Abschnitte, vereinfacht gesagt, oben und unten abgetrennt und herausgezogen. Zusätzlich kann es nötig sein, Seitenäste mit einem speziellen Instrument zu entfernen (Seitenastexhairese). Alternativ schließen wir die Verbindung zwischen dem tiefen Venensystem zu der erkrankten oberflächlichen Vene (Perforansligatur). Wir können auch eine Manschette um die erweiterte Vene legen, damit sie wieder enger wird und die Klappe abschließt (extraluminale Valvuloplastie).“

Nur unschön? Warum man Krampfadern behandeln lassen sollte

Wie viele Venen können Sie entfernen, ohne dass der Blutfluss gestört wird?

Laun: „Das tiefe Venensystem reicht völlig aus, um das Blut Richtung Herz zu transportieren. Theoretisch könnten wir also das komplette oberflächliche Venensystem herausnehmen – Krampfadern entstehen ja nur dort.“

Was passiert, wenn Krampfadern nicht behandelt werden?

Laun: „Sie sacken immer weiter aus, bis der Stau zu Wasseransammlungen und Schwellungen (Ödemen) führt. Durch die Schwerkraft ist das im Bereich der Knöchel der Fall. Bestandteile des Bluts gelangen schließlich ins umliegende Gewebe. Erst entstehen Hautschäden, die gut sichtbar sind, und dann kommt es zu einer chronischen Wunde – umgangssprachlich als „offenes Bein“ bezeichnet.“

 

Dieses Interview ist auch im Vivantes Magazin 4/2021 erschienen. 

Fotos: Unsplash.com; Proträt Vivantes