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„Bei uns ist nichts peinlich“ – was tun bei Erektionsstörungen?

Erektionsstörungen - medizinisch erektile Dysfunktion genannt - können Männer jeden Alters betreffen. Dr. Tobias Pottek, Chefarzt der Klinik für Rekonstruktive Urologie und Geschlechtsinkongruenz erklärt, welche Gründe es gibt und was man dagegen tun kann.

Herr Dr. Pottek, viele Männer schämen sich, ihre Erektionsstörungen zu thematisieren. Kommen die Männer damit in Ihre Sprechstunde, oder ist es eher eine „Nebendiagnose“?

Nein, Betroffene werden schon vom Hausarzt, Internisten, oder der Urologie zu mir geschickt, insofern geht es gleich um die Frage, wie wir Erektionsstörungen behandeln. Ich sage immer: Bei uns ist nichts peinlich! Wer hier die Hose runter lässt, wird rein fachlich betrachtet.

Sie beginnen also gleich mit der Klärung der Ursachen?

Ja, das Frage-Antwort-Spiel gibt es natürlich trotzdem zur Einordnung; auch sehr konkret „was geht beim Sex? Sind Sie in einer Beziehung? Wann und wie oft haben Sie Probleme? Immer nur mit der Partnerin oder dem Partner, oder funktioniert die Selbstbefriedigung ebenfalls nicht?“

Sind die Ursachen häufiger psychisch oder physisch?

Rein psychische Ursachen sehe ich eher bei jungen Männern, je älter die Patienten, desto mehr organische Diagnosen finden sich. Körper und Psyche können aber nicht getrennt betrachtet werden. Organische Ursachen haben auch psychische Auswirkungen, wie das Gefühl zu versagen, und umgekehrt.

Wie beraten Sie junge Männer, die aus psychischen Gründen keine Erektion bekommen?

Das sind häufig Sexanfänger, postpubertäre Jungen, die glauben, die Partnerin oder der Partner waren beim Sex „nicht zufrieden“. Dadurch entsteht die Angst vor dem nächsten Mal. Aber Stress und Angst sind der Feind der Erektion.  

Und Angst lässt sich nicht steuern…

Stimmt, aber entwicklungsgeschichtlich ist Angst auch sinnvoll. Wenn der Urmensch vor einem Mammut stand, hätte ihm eine Erektion nichts gebracht, Abhauen war dagegen die richtige Reaktion. Aber die Versagensangst beim Sex ist natürlich unterschwellig, an der Grenze zum Unbewussten. Es hilft, sie sich bewusst zu machen und sich zu sagen: Hier ist Angst unnötig. Manchmal verschreibe ich einmalig Viagra, ein Medikament mit dem Wirkstoff Sildenafil. Das verstärkt die Erektion drastisch bei einem Menschen, der das körperlich gar nicht bräuchte. Wenn er so einen Turbolader erlebt, gibt ihm das das Selbstbewusstsein zurück, sodass es dann beim nächsten Mal auch ohne Medikament funktioniert.

Viagra wirkt also stärker, als diese Versagensangst?

Ja. Es braucht zwar einen erotischen Reiz, damit Viagra wirkt, dann aber wird die Vorspannung der Blutgefäße gelöst, der Blutdruck wird gesenkt und mehr Blut fließt in den Penis, sodass die Erektion erreicht und aufrechterhalten wird. Dagegen kommen Stress oder Angst nicht an.

Welche körperlichen Ursachen gibt es für Erektionsstörungen?

Es gibt drei sekundäre Erkrankungen, die oft zu dieser Diagnose führen. Nach Krebsbehandlungen der Prostata, der Blase oder des Rektums kann es zu Schädigungen der Nerven kommen, die die Erektion steuern. Das betrifft auch bei nervenschonenden OP-Verfahren 50 Prozent der Patienten. Wenn die Reizleitung durch die Behandlung mit elektrischem Strom gestört wurde, hilft Viagra nicht mehr. Dann gibt es die Möglichkeit der Schwellkörperautoinjektionstherapie (SKAT) mit dem Wirkstoff Alprostadil vor dem Sex.
Eine zweite Patientengruppe hat Diabetes. Die Schädigung von kleinsten Arterien (Mikroangiopathie), die nicht mehr rückgängig gemacht werden kann, betreffen auch den Penis. So hält die Versteifung nicht lange genug, oder ist nicht hart genug. Diese Diagnose kann auch ein wichtiger Hinweis sein, dass zwei bis drei Jahre später ein hohes Schlaganfall- oder Herzinfarktrisiko besteht.  
Bluthochdruck ist die dritte häufige Ursache für Erektionsstörungen. Auch hier kommt es zu Gefäßschädigungen. Allerdings kann der Betablocker, mit dem Bluthochdruck behandelt wird, das Nervensystem blockieren, das die Nervenimpulse für die sexuelle Erregung vom Gehirn aus losschickt und vergrößert so zusätzlich die Erektionsstörung. Man sollte also nach alternativen Medikamenten wie Nitraten suchen. Auch von Viagra ist abzuraten.

Das betrifft eher ältere Patienten?

Ja, es gibt nur eine kleine Gruppe junger Patienten, bei denen es körperliche Gründe gibt. Sie haben ein sogenanntes venöses Leck. Die Venenklappen in den Blutgefäßen schließen nicht richtig und Blut fließt zurück. Dies lässt sich mit einem unkomplizierten Eingriff beheben, bei dem die Venen verschlossen werden.

Welche Untersuchungen werden bei einer Erektionsstörung durchgeführt?

Die Blutgefäße werden mit einem Ultraschall (Dopplersonographie) untersucht. Vier entscheidende Arterien im Penis sehen wir uns an und messen die Geschwindigkeit des Blutflusses. Mit einer SKAT-Spritze lösen wir eine künstliche Erektion aus und sehen uns wieder die Blutgefäße an. Davon leiten wir dann die nächsten Maßnahmen ab.

Was kann gegen Erektionsstörungen getan werden?

Eine traditionelle und in den USA sehr verbreitete Therapiemethode ist die Vakuumerektionshilfe, auch Penispumpe genannt. Direkt vor dem Sex wird der Kunststoffzylinder aufgesetzt und Unterdruck erzeugt, damit Blut in die Schwellkörper fließt. Dann wird ein Penisring über die Pumpe aufgestreift und die Pumpe entfernt. Hilfreich ist, die Vorbereitung in das Vorspiel mit dem Partner einzubauen.

Gibt es auch operative Möglichkeiten?

Wenn alle Maßnahmen ausgeschöpft sind, sowohl medikamentös als auch den Lebensstil betreffend, kann über ein Implantat nachgedacht werden. Dabei wird der Schwellkörper durch einen Silikonzylinder ersetzt. Hier kommt es allerdings zu Komplikationsraten von bis zu 10 Prozent, daher ist es die letzte Option. Zum einen gibt es das „malleable“, also biegsame Implantat, das immer steif bleibt. Zum anderen die hydraulische Penisprothese. Hier werden zwei Hohlkörper implantiert. Im Hodensack wird eine Pumpe platziert und ein Reservoir mit Flüssigkeit hinter der Bauchdecke, die dann in den Schwellkörper gepumpt wird. Dabei bleibt die Sensorik erhalten, nur die Peniseichel bleibt weich.

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