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Künstliche Gelenke: So hilft Physiotherapie nach der OP beim schnellen Aufstehen

Ein künstliches Hüft- oder Kniegelenk bedeutet für viele Patientinnen und Patienten ein besseres Leben – doch die ersten Tage nach der OP sind entscheidend für eine schnelle Genesung. Physiotherapeutin Madeleine Hasenheyer erklärt, wie sie den Menschen dabei hilft.
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Frau Hasenheyer, Sie arbeiten als Physiotherapeutin im Vivantes Auguste-Viktoria Klinikum und helfen Menschen, nach einer Gelenkersatz-OP wieder mobil zu werden. Warum ist es so wichtig, gleich am nächsten Tag wieder aufzustehen?

Madeleine Hasenheyer: Nach einer Gelenkersatz-OP am nächsten Tag gleich aufzustehen, ist besonders wichtig, um den Kreislauf in Gang zu halten. Dafür kommen wir Physiotherapeuten am ersten Tag nach der OP zu den Patientinnen und Patienten ans Bett und stehen gemeinsam mit ihnen auf. Wir geben nicht nur praktisch Hilfestellung, sondern schaffen auch Sicherheit und Vertrauen. Auch wichtig zu wissen: Mit jedem Tag, den man liegen bleibt, baut sich die Muskulatur ab. Der Muskelabbau setzt tatsächlich schon nach 24 Stunden ein.

Erste Schritte mit neuer Hüfte oder neuem Knie: Wie schnell soll man nach der Hüft-OP oder Knie-OP wieder laufen, wenn man eine Totalendoprothese (TEP) bekommen hat?

Wir helfen den Patientinnen und Patienten ganz praktisch dabei, indem wir mit ihnen gezielt Muskelpartien trainieren, die wichtig sind, damit sie so schnell wie möglich selbstständig aus dem Bett kommen. Wir üben das Aufstehen, Laufen und Treppensteigen in der Gangschule. Aber auch ganz individuell alltägliche Dinge – vom Ankleiden bis zum Ins-Auto-Steigen, also Aktivitäten des alltäglichen Lebens.

Was ist eine TEP für Knie und Hüfte?

Eine TEP (Totalendoprothese) ist ein künstlicher Gelenkersatz, der bei schweren Gelenkverschleißerkrankungen wie Arthrose eingesetzt wird. Bei einer Knie-TEP werden die geschädigten Gelenkflächen des Kniegelenks durch eine Metall-Kunststoff-Kombination ersetzt, um die Beweglichkeit zu verbessern und Schmerzen zu lindern. Eine Hüft-TEP ersetzt das erkrankte Hüftgelenk durch eine künstliche Gelenkpfanne und einen Hüftkopf meist aus Metall oder Keramik. Beide Eingriffe ermöglichen den Patientinnen und Patienten, wieder schmerzfreier zu gehen und ihre Mobilität zurückzugewinnen.

Wo gibt es Orthopädien bei Vivantes in Berlin? Mehr Infos hier.

 

Wie viel Physiotherapie gibt es im Krankenhaus nach einer künstlichen Hüft- oder Kniegelenk-Operation?

Die meisten Patienten können nach fünf bis sieben Tagen nach der OP wieder nach Hause entlassen werden. In der Zwischenzeit bekommen sie ein bis zweimal am Tag Physiotherapie - in der Regel einmal vormittags und einmal nachmittags. Wir haben hier den Vorteil, dass wir ein relativ großes Team sind mit drei Physiotherapeut*innen und bis zu acht Auszubildenden, sodass wir relativ viel Physiotherapie für die frisch operierten Menschen anbieten können.

Wie schnell nach der OP kann man mit einem neuen Hüft – oder Kniegelenk wieder Treppensteigen?

Mit Menschen, die ein künstliches Kniegelenk oder Hüftgelenk bekommen haben, üben wir ab dem dritten Tag, Treppen zu laufen. Ab diesem Zeitpunkt kann man damit anfangen. Aber auch das braucht Übung, Schritt für Schritt. Wir begleiten die Patientinnen und Patienten dabei. Man muss jedoch auch sagen, dass jeder anders ist, einige schaffen die ersten Treppenstufen schon nach dem zweiten Tag, andere erst nach dem fünften, aber das ist alles in Ordnung, eben sehr individuell.

Gangschule nach einer Knie- oder Hüft-OP: Sicheres Laufen neu lernen

Nach einer Knie- oder Hüftgelenk-OP ist das richtige Gehen entscheidend für eine schnelle und sichere Rehabilitation. In der Gangschule lernen Patientinnen und Patienten unter physiotherapeutischer Anleitung, sich wieder richtig zu bewegen – zunächst mit Gehhilfen wie Unterarmstützen und später auch ohne. Dabei werden gezielt Bewegungsmuster trainiert, die helfen, das neue Gelenk korrekt zu belasten, Fehlhaltungen zu vermeiden und Muskulatur aufzubauen.

Besonders wichtig ist die Schulung eines gleichmäßigen, stabilen Gangbildes, um langfristige Beschwerden zu verhindern. Mit der richtigen Technik gewinnen Betroffene Schritt für Schritt ihre Mobilität zurück und können schneller wieder zurück in den Alltag.

PDF zum Download: Zum Ratgeber für Patientinnen und Patienten mit einer neuen Knieendoprothese oder Hüftendoprothese

 

Dürfen Patientinnen und Patienten, die ein neues Hüftgelenk oder ein neues Kniegelenk bekommen haben, auf der Seite schlafen?

Das ist tatsächlich eine der häufigsten Fragen, die wir als Physiotherapeuten gestellt bekommen. Die Antwort ist: ja, wer eine Knie- oder Hüftprothese bekommen hat, darf auf der nicht operierten Seite schlafen. Die meisten Patientinnen und Patienten sind sehr erleichtert, wenn sie die Antwort hören. Das Auf-der-Seite-Schlafen üben wir auch tatsächlich schon gleich am zweiten Tag nach der Operation.

Wie sinnvoll ist Physiotherapie mit Lymphdrainage und Tapes nach der Gelenkersatz-OP?

Neben der Mobilisation am ersten Tag nach der OP setzen wir verschiedene Techniken ein, um die Selbständigkeit zu fördern. Eine wichtige Methode ist die Lymphdrainage, mit der wir Schwellungen im operierten Bereich reduzieren und den Heilungsprozess unterstützen. Zusätzlich kleben wir oft Lymph-Tapes, die bis zu einer Woche auf der Haut bleiben und den Lymphfluss bei Bewegung anregen. Auch funktionelle Übungen spielen eine Rolle, da sie helfen, die Beweglichkeit zu verbessern und die Muskulatur gezielt zu kräftigen. Aber neben diesen fachlichen Techniken ist vor allem Einfühlungsvermögen wichtig. Wir geben den Patientinnen und Patienten Sicherheit, motivieren sie und begleiten sie geduldig auf ihrem Weg zurück zur Selbstständigkeit.

Stichwort Prähabilitation: Ist ein gezieltes Training und eine Vorbereitung vor der Operation für ein künstliches Kniegelenk oder künstliches Hüftgelenk wichtig?

Es ist in der Tat ratsam, schon vor einer OP für ein künstliches Gelenk zu trainieren, sei es ein neues Knie oder eine neue Hüfte. Das wissen aber viele Menschen gar nicht und sind ganz erstaunt, wenn unsere Operateurinnen und Operateure sie in der Sprechstunde darauf aufmerksam machen.

Diese gezielte Vorbereitung bieten wir auch hier bei uns auf der Station im Physiotherapie-Raum zweimal die Woche für alle interessierten Menschen an: Dabei übt man zum Beispiel, wie man nach der Operation am besten aus dem Bett aufsteht und kann sich auch schon mal an die Unterarmstützen gewöhnen, mit denen man dann wieder die ersten Schritte machen kann. Dann ist alles nach der OP viel einfacher, wenn man damit schon vertraut ist. Außerdem geben wir ein paar gezielte Übungen zur Kräftigung der Muskulatur mit. Das kann dann zu Hause geübt werden.

Nicht alle nehmen das Angebot an, mit uns 45 Minuten vorab zu trainieren und sich bewusst vor der Operation „mit dem Danach“ auseinander zu setzen, denn das kann jeder selbst entscheiden. Unsere Erfahrung ist, je jünger die Menschen sind, desto eher kommen sie vorher zu uns in die Physiotherapie. Wir merken in der Physiotherapie aber tatsächlich den Unterschied zwischen Patientinnen und Patienten, die bei der Prähabilitation waren und denen, die nicht vorher bei uns zum Üben waren.

Prähabilitation: Aktive Vorbereitung auf eine Gelenkersatz-OP

Prähabilitation - auch Prehabilitation genannt - ist ein gezieltes physiotherapeutisches Training vor einer Operation, das darauf abzielt, die Muskulatur zu stärken, die Beweglichkeit zu verbessern und den Körper bestmöglich auf den Eingriff vorzubereiten. Besonders vor einer Hüft- oder Knie-Endoprothese wie einer Knie-TEP oder einer Hüft-TEP kann eine frühzeitige physiotherapeutische Betreuung helfen, den Heilungsverlauf nach der OP zu beschleunigen.

Patientinnen und Patienten, die bereits vor dem Eingriff spezielle Übungen machen, haben in der Regel weniger Schmerzen, können schneller wieder mobil werden und reduzieren das Risiko für Komplikationen. Neben der Kräftigung der Muskulatur lernen Betroffene in der Prähabilitation auch den Umgang mit Gehhilfen und wichtige Bewegungsmuster, die ihnen nach der OP den Alltag erleichtern. Dieses Training kann in Physiotherapiepraxen oder direkt im Krankenhaus angeboten werden und ist eine wertvolle Ergänzung zur postoperativen Rehabilitation.

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Welche Tipps für eine erfolgreiche Rehabilitation können Sie als Physiotherapeutin Menschen, geben die ein künstliches Gelenk bekommen?

Wer einen künstlichen Gelenkersatz bekommt, braucht keine Angst zu haben. Die Patientinnen und Patienten können auf die Therapeutinnen und Therapeuten und das medizinische Personal vertrauen, denn wir machen das hier hochprofessionell jeden Tag. Es ist aber auch wichtig, dass man selbst mitwirkt und gut mitmacht, sowohl vor der OP als auch nach der OP bei den Eigenübungen und der Gangschule.

 

Copyright Fotos: Kevin Kuka

 

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