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Wenn Pflegekräfte ihren Dienstplan selbst schreiben

Wenn jede Pflegekraft ihren Dienstplan selbst schreibt, hat das nur positive Effekte. Welche - das erklärt Andrea Fuchs.

Wann muss ich arbeiten? Wurden meine Wünsche berücksichtigt? Kann ich alle privaten Termine einhalten? Im chirurgischen Department des Berliner Vivantes Klinikum im Friedrichshain müssen sich die Pflegenden diese Fragen nicht mehr stellen, wenn der Dienstplan veröffentlicht wird. Sie schreiben ihre Dienstpläne selbst und tragen damit aktiv zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen und der Pflegequalität bei.

Anspruchsvoll - aber nicht unmöglich

Die Erstellung von Dienstplänen ist eine anspruchsvolle Führungsaufgabe, denn schließlich müssen sowohl gesetzliche Vorgaben als auch individuelle Wünsche der Mitarbeitenden berücksichtigen werden. Vor der Einführung des Projekts „Mitarbeiterorientierte Personaleinsatzplanung – Mitarbeitende schreiben ihren Dienstplan selbst“ wurde der Dienstplan klassisch von der Stationspflegeleitung erstellt. Jeder Mitarbeitende konnte im Vorfeld maximal drei Wünsche eintragen - doch dies führte nicht selten zu Unzufriedenheit und Diskussionen im Team.

Das Projekt ist ein wegweisender Schritt des Pflegemanagements im Vivantes Klinikum im Friedrichshain, findet Stationspflegeleitung Andrea Fuchs: „Durch die Möglichkeit, den Dienstplan selbst zu schreiben, fördern wir die Eigenverantwortlichkeit und Zufriedenheit unserer Mitarbeitenden.“

Mehr Eigenverantwortung, mehr Zufriedenheit

Mit dem Ziel, die Zufriedenheit der Mitarbeitenden zu erhöhen, entstand die Idee, den Dienstplan von den Mitarbeitenden selbst schreiben zu lassen. „Unsere Ziele waren klar: Wir wollten die Eigenverantwortlichkeit fördern, die Kommunikation verbessern und die Motivation steigern“, erklärt Andrea Fuchs.

Im November 2020 startete das Projekt. Zunächst wurden die Pflegekräfte in drei Gruppen eingeteilt, die jeweils einen ausgeglichenen Dienstplan für ihre Gruppe erstellten. Eine Excel-Tabelle auf dem stationseigenen Server diente als Planungsinstrument, in die jeder Mitarbeitende seine Dienstzeiten eintragen konnte. Rotierende Planungszeiten gewährleisteten, dass alle Teammitglieder gleichberechtigt an der Planung beteiligt waren.

Herausforderung: rechtliche Grundlagen

Die Umsetzung des Projekts war nicht ohne Herausforderungen. Es erforderte umfangreiche Schulungen, um die Mitarbeitenden mit den tariflichen und arbeitsrechtlichen Grundlagen der Dienstplanung vertraut zu machen. Doch das Engagement und der Aufwand zahlten sich aus: „Die eigenständige Dienstplanung hat die Kommunikation im Team verbessert und die Anzahl der Diensttausche deutlich reduziert“, berichtet Andrea Fuchs.

Ausschließlich positive Effekte

„Nach gut drei Jahren können wir sagen, dass diese Form der Dienstplanung ausschließlich positive Auswirkungen auf unseren Stationsalltag hat“, so Vanessa Ziegan, stellvertretende Stationspflegeleitung. Das zeigt auch die Evaluation: Nach etwa zwei Jahren Projektlaufzeit wurde das Projekt im März 2023 ausgewertet. Eine Mitarbeitendenbefragung belegte, dass die Vereinbarkeit von Familie, Privatleben und Beruf sich verbessert hatte und die Kolleg*innen zufriedener waren. Die Mitarbeitenden antworteten auch, dass sich ihr Mitspracherecht und ihre Selbstorganisation verbessert haben.

„Außerdem haben die Diskussionen im Team über vermeintliche Ungerechtigkeiten stark abgenommen – vielleicht auch, weil es nun mehr Verständnis für die Komplexität des Dienstplanes gibt“, ergänzt Vanessa Ziegan. Noch ein Effekt: Der Krankenstand ist nun im Vergleich zu kritischen Monaten im Vorjahr ausgeglichener. Nicht zuletzt sei erwähnt, dass auch für die Dienstplanverantwortlichen die „Dienstplanung von allen für alle“ eine große Zeitersparnis mit sich bringt: Selbst bei der Dienstplanfreigabe gibt es nur noch selten Korrekturbedarf.

Nachahmer erwünscht

Der Erfolg des Projekts hat sich herumgesprochen. Aktuell stellen Andrea Fuchs und Vanessa Ziegan ihr Projekt anderen Teams und Stationspflegeleitungen im Klinikum vor. „Wir freuen uns, dass unser Projekt als Vorbild für andere Stationen dient und hoffen, dass noch mehr Bereiche von der mitarbeiterorientierten Dienstplanung profitieren“, sagt Andrea Fuchs abschließend.

Individueller Dienstplanzugang für ganz Vivantes

Für ganz Vivantes gibt es seit März 2024 ein individuelles ESS-Zugangssystem zum eigenen Dienstplan. Vivantes entwickelt gemeinsam mit einem spezialisierten Software-Anbieter die Dienstplan-Applikation weiter: Es handelt sich um ein Modul der derzeit genutzten Software zur Dienstplanung, um den Beschäftigten in den Klinika und Gesellschaften des Unternehmens mehr Flexibilität, Selbstbestimmung und Mitsprache zu ermöglichen.

Auf dem Weg zum Wunschdienstplan für alle

Das Ziel: Mitarbeitende sollen ihre Wunschdienste wählen und direkt Schichten miteinander tauschen können, wenn alle rechtlichen und betrieblichen Erfordernisse erfüllt sind. Vorgesetzte können schnell Ersatz finden, wenn Mitarbeiter*innen kurzfristig, z.B. wegen Krankheit, ausfallen. Die Dienstplan-Applikation wird auch auf privaten Endgeräten wie z.B. Smartphones einsetzbar sein. Damit kommt Vivantes dem Ziel einen großen Schritt näher, Wunschdienstpläne zu ermöglichen.

Die neu entwickelten Funktionalitäten sollen aber auch die Dienstplanverantwortlichen entlasten. In einem durchschnittlichen Monat leisten 16.500 Mitarbeiter*innen von Vivantes fast 160.000 Schichten, die in rund 700 Dienstplänen allen gesetzlichen, tariflichen und betrieblichen Anforderungen entsprechend geplant werden müssen.

Mehr dazu: Auf dem Weg zum Wunschdienstplan  | Vivantes