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Von Sonnenbrand bis Bräunungssucht: Wie viel UV-Strahlung ist gesund?

Für Menschen mit Bräunungssucht (Tanorexie) kann es nicht genug Sonne geben. Scheint die Sonne mal nicht, gehen Betroffene ersatzweise auch ins Solarium. Wie kommt es zu der Erkrankung und warum ist sie so gefährlich für die Haut?

Von Kultur zu Kultur unterschiedlich: Ist gebräunte Haut schön?

Menschen legen sich an den Strand und ins Solarium, weil sie eine „gesunde Farbe“ annehmen wollen. Prof. Dr. Wolfgang Harth, Sie sind Chefarzt einer dermatologischen Klinik. Warum steht Bräune für Attraktivität?

Prof. Dr. Wolfgang Harth, Chefarzt der Klinik für Dermatologie und Allergologie am Vivantes Klinikum Spandau: „Es gibt verschiedene psychische und soziologische Erklärungsmuster, warum Menschen braun sein wollen. Auch zwischen den Kulturen existieren Unterschiede: Für Asiat*innen zum Beispiel entspricht die weiße Hautfarbe dem Schönheitsideal, weil die „vornehme Blässe“ für sozialen Status steht und gebräunte Haut mit Feldarbeitern in Verbindung gebracht wird. Hierzulande gilt in der Subkultur der Grufties (Gothics) das Kalkweiß als schön. Trotzdem ist für einen Großteil der Bevölkerung die gebräunte Haut nach wie vor gleichbedeutend mit Erholung und körperlicher Gesundheit.“  

Risiko Hautkrebs: Zu viel Sonne führt nicht nur zu Falten

Warum geht der Bräunungstrend weiter, obwohl bekannt ist, dass zu viel UV-Licht gesundheitsgefährdend wirkt? Sogar rund 15% der Patienten mit der Diagnose Hautneoplasie, also Hautkrebs, bräunen sich weiter regelmäßig…

Prof. Dr. Wolfgang Harth: „Das Problem ist vergleichbar mit dem der Zigarettenlobby: Solange über die Werbung ein Zusammenhang zwischen dem Rauchen und der Freiheit hergestellt und Bräune als attraktiv wahrgenommen wird, ist kein gesellschaftlicher Wandel zu erwarten.

Übrigens schädigen Nikotin und Sonne die Haut in vergleichbarer Weise: beides führt zu Falten. Davon abgesehen kam es in den letzten Jahrztzehnten durchaus zu einem Paradigmenwechsel. Inzwischen gibt es Solariumsverbote für unter 18-Jährige und schon beim Jugendfußballturnier achtet der Trainer darauf, dass die Kinder eingecremt sind. Aber natürlich gibt es immer noch Leute, die private UV-Kabinen in ihrem Badezimmer haben. Wir müssen also weiterhin über Lichtschäden aufklären und für die Gefahren sensibilisieren.“

Wann – bei welchem Ausmaß der UV-Exposition – spricht man von Bräunungssucht?

Prof. Dr. Wolfgang Harth: „Die Übergänge sind - wie bei jeder Sucht - fließend und es hängt vom Hauttyp ab. Dunkelhäutige kommen mit Sonnenbestrahlung besser zurecht, als beispielsweise Menschen aus Schottland, deren genetische Veranlagung wenig Schutz bietet. In den 80er Jahren ergab eine Studie in Australien einen unmittelbaren Zusammenhang zwischen der nördlichen Herkunft eines Einwanderers in die Nähe des Äquators und der Hautkrebsrate.“

Tipps fürs Sonnenbaden

Welchen Sonnenschutz empfehlen Sie als Dermatologe denn und wie lange sollte man maximal in der Sonne bleiben?

Prof. Dr. Wolfgang Harth: „Für alle gilt, dass die pralle Sonne, insbesondere mittags, gemieden werden sollte und man Creme mit Lichtschutzfaktor zum Hautschutz aufträgt. Diese Präventivmaßnahmen werden von Tanorexie-Patient*innen aber konsequent unterlaufen.

Natürlich hängt die Sonnenintensität vom Breitengrad ab und auch davon, ob Spiegelkräfte vorhanden sind wie Meer, Wasseroberflächen oder Berge mit Schnee. Wichtig ist auch, dass ein Sonnenschirm aufgespannt oder zertifizierte Sonnenschutzkleidung getragen wird. Hier helfen ein Hut oder Badekleidung besonders für Kinder weiter, um sich vor zu viel UV-Strahlung zu schützen.“

Die Bezeichnung „Tanorexie“ leitet sich von der „Anorexie“, (im Extremfall Magersucht) ab. Wo sind die Parallelen?

Prof. Dr. Wolfgang Harth: „Man spricht in beiden Fällen von einer „Körperbildstörung“, also einer subjektiv gestörten Selbstwahrnehmung. Magersüchtige finden sich grundsätzlich zu dick, auch wenn sie sehr dünn sind. Das Gleiche gilt für die Bräunungssüchtigen – sie halten sich immer für zu blass. Diese Parallele zeigt sich auch in psychologischen Fragebögen.“

Bräunungssucht therapieren ist Überzeugungsarbeit

Wie wird therapiert?

Prof. Dr. Wolfgang Harth: „Die Betroffenen kommen in der Regel nicht in die Klinik, um die Bräunungssucht zu behandeln, weil diese nicht als Problem erkannt wird und Uneinigkeit zwischen Ärzt*innen und Patient*innen herrscht. Oft heißt es von Betroffenen dann „ich kann doch nicht immer nur im Keller sitzen“. Man braucht viel Zeit für die Überzeugungsarbeit – denn mit 35 Jahren ist die übermäßige Sonneneinwirkung noch kein Thema und mit 70 ist es zu spät. Wir führen daher auch in der Öffentlichkeit Aufklärungsgespräche und informieren auf Patientenveranstaltungen.“

 
Hautkrebs - von Vorbeugung bis Therapie

Vorbeugung

Vor allem Menschen mit heller Haut und blonden Haaren bekommen meist sehr schnell einen Sonnenbrand. Bräune ist jedoch von kurzer Dauer. Falten und Hautkrebs gehören zu den bleibenden Langzeitschäden.

Zur weiteren Vorbeugung ist es vor allem wichtig, die gesamte Hautorgan bei eine*r Hautärzt*in untersuchen zu lassen. 

So schützen Sie sich wirksam

  • Richtige Kleidung wählen und Kopfbedeckung (Hut) für „Sonnenterrassen“ wie Wangen, Nasen, Ohren, Glatze, Schläfen und Lippen tragen
  • Intensive Mittagssonne (12 bis 16 Uhr) meiden
  • Babys und Kleinkinder unter 3 Jahren nicht direkt der Sonne aussetzen
  • Während des Sonnenbads wiederholt Sonnenschutzmittel ab Lichtschutzfaktor 30 oder höher in ausreichender Menge auf die Haut auftragen 

Risikofaktoren

  • Genetische Vorbelastung: viele Melanome in der Familie, sehr viele und große Nävi in der Familie
  • Sehr große oder untypische Pigmentflecken (Nävi) 
  • Immunschwäche
  • Die lebenslange UV-Licht-Exposition; viele bzw. schwere Sonnenbrände in der Kindheit; Hellhäutige, die hohen UV-Konzentrationen  ausgesetzt sind, z. B. äquatornahe Lebensräume, Australien

Diagnostik und Therapie

Bei einem auffälligen Pigmentfleck stehen die auflichtmikroskopische Untersuchung sowie die klinische Einschätzung des Hautarztes an erster Stelle. Des Weiteren können hochauflösende Ultraschalluntersuchungen der Läsion sowie Laboruntersuchungen von speziellen Tumormarkern in bestimmten Fällen hilfreich sein.

Die letzte Gewissheit über Eigenschaften des Tumors gewinnt man jedoch erst in der mikroskopischen Untersuchung nach Entfernung oder Probenentnahme des Tumors.

Je nach Tumorstadium, welches von der Tumordicke, eventuellem Lymphknotenbefall und möglicher Metastasierung abhängt, wird die Therapie individuell angepasst. An erster Stelle steht die Operation des Tumors.

Behandlung im Vivantes Tumorzentrum

Die spezialisierten Hautklinken des Vivantes Tumorzentrums, sowie die medizinischen onkologischen Abteilungen garantieren hierbei für eine Therapie auf dem neusten Stand der Wissenschaft. Therapien können sowohl stationär als auch ambulant in unseren Medizinischen Versorgungszentren (MVZ) mit angeschlossenen Tageskliniken erfolgen.

 

Fotos: Titel - freepik.com; Sonnenschirm - hugo-doria-ko2GOn21jtw-unsplash; Strand - timo-wagner-wFTcjAeWi3M-unsplash