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Lipödem – was hilft bei gestörter Fettverteilung?

Das Lipödem ist eine Störung der Fettverteilung, die fast ausnahmslos nur bei Mädchen und Frauen auftritt. Ein Oberarzt für Plastische, Rekonstruktive und Ästhetische Chirurgie weiß Rat.

Diagnose nach vielen Diäten 

Beim Lipödem kommt es zu einer unkontrollierten Fettvermehrung überwiegend an Beinen, Hüfte und Gesäß, vereinzelt auch an den Armen. Für die Betroffenen ist die Erkrankung eine große Belastung.

Schmerzhafte Schwellungen

Als Anja R. (36) die Diagnose Lipödem erhielt, konnte sie sich endlich erklären, warum die vielen Radikaldiäten im letzten Jahr nicht zum erhofften Erfolg geführt hatten. „Nach der Geburt meiner Tochter hatte ich einige Kilos mehr drauf, dazu Schwellungen und heftige Schmerzen in Beinen und Armen. Meine Ärztin führte das zunächst aufs Stillen zurück, aber es hörte auch danach nicht auf.“ Der Besuch bei einem Spezialisten – zuständig sind Phlebolog*innen (Venenärzt*innen), Angiolog*innen (Gefäßspezialist*innen) und Lympholog*innen – brachte endlich Klarheit.

Jede 10. Frau betroffen

Rund 3,8 Millionen Menschen und geschätzt 10 Prozent aller Frauen in Deutschland sind an einem Lipödem erkrankt. Vermutet wird eine hohe Dunkelziffer: Viele Betroffene gehen davon aus, dass sie sich falsch ernähren oder zu wenig bewegen und klären deshalb ihre Beschwerden nicht ab. Die Krankheit zeigt sich in chronisch zunehmender und symmetrischer Vermehrung des Unterhautfettgewebes. Man unterscheidet im fortschreitenden Verlauf drei Stadien. Weil es aktuell noch an der Verbreitung der Kenntnis über die Erkrankung und deren Therapie fehlt, erkennen auch Ärzt*innen das Lipödem nicht immer. Häufig wird es mit einem Lymphödem verwechselt – einer Ansammlung von Lymphflüssigkeit im Gewebe – oder mit Adipositas.

Ursachen: Hormone oder Vererbung?

Die Auslöser sind nicht eindeutig geklärt, vermutet werden hormonelle Gründe oder auch Vererbung. Die Erkrankten leiden oft an starken Schmerzen, die betroffenen Körperstellen sind extrem druck- und berührungsempfindlich. Dazu kommt eine erhebliche psychische Belastung: Das unproportionale Verhältnis der einzelnen Körperteile zueinander, etwa ein schmaler Oberkörper, ein voluminöses Gesäß und sehr kräftige Oberschenkel, ist deutlich sichtbar.

Wammenbildung: Wenn die Erkrankung fortschreitet

Schreitet die Krankheit fort, wird die Fettgewebsstruktur grobknötiger. Es entsteht eine unschöne dellenartige Struktur an den Extremitäten. Im Stadium 3 kann eine sogenannte Wammenbildung, das sind übereinander herunterhängende Weichteilrollen, hinzukommen.

Das gestörte ästhetische Bild der Betroffenen wird häufig mit abfälligen Blicken und Bemerkungen kommentiert. In der Folge sinkt das Selbstwertgefühl. Neben den körperlichen Beeinträchtigungen stellen sich oft Depressionen, Essstörungen und sozialer Rückzug ein.

Erfahrung in der Beratung und Behandlung

Assen Mladenov ist Oberarzt in der Klinik für Plastische, Rekonstruktive und Ästhetische Chirurgie und Zentrum für Wundmedizin im Vivantes Klinikum im Friedrichshain. Der Facharzt verfügt über langjährige Erfahrungen in der Beratung und Behandlung von Patient*innen mit Lipödem. „Leider ist die ursächliche Behandlung eines Lipödems bisher noch nicht möglich. Es fehlen Biomarker, biologische Merkmale, die im Blut oder in Gewebeproben gemessen und bewertet werden können. Ebenso wie noch nicht ausreichend in Studien untersuchte Wirkungsmechanismen, in welche man eingreifen könnte.“

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Leider ist die ursächliche Behandlung eines Lipödems bisher noch nicht möglich. Es fehlen Biomarker, biologische Merkmale, die im Blut oder in Gewebeproben gemessen und bewertet werden können.

Oberarzt in der Klinik für Plastische, Rekonstruktive und Ästhetische Chirurgie und Zentrum für Wundmedizin im Vivantes Klinikum im FriedrichshainAssen Mladenov

Viele Therapien

Eine mögliche Behandlung ist die Entstauungstherapie, die hauptsächlich Lymphdrainagen und eine Kompressionstherapie beinhaltet. Ab Krankheitstadium II hat sich zusätzlich eine gezielte Fettabsaugung (Liposuktion) bewährt, die wasserstrahl-, vibrations- oder auch laserassistiert durchgeführt werden kann. Anschließend erfolgt weiterhin eine angepasste Kompressionstherapie. Normale Körperformen lassen sich auf diese Weise wiederherstellen und Beschwerden dauerhaft abmildern.

Hautstraffung nach Fettreduktion?

Die bei einer starken Reduktion des Fettgewebes und geringer Retraktionsfähigkeit der Haut entstandenen herunterhängenden Hautlappen können darüber hinaus einer zusätzlichen Hautstraffung unterzogen werden. „Unsere Patient*innen profitieren dabei auch von den gewonnenen Erfahrungen aus der engen Zusammenarbeit mit dem Vivantes Adipositaszentrum. Bei Menschen, die viel Gewicht verloren haben, ist ebenfalls meist eine Hautstraffung notwendig“, berichtet Assen Mladenov aus der Praxis.

Seine Aufgabe als Plastischer Chirurg sieht er darin, „Patient*innen fachgerecht und verantwortungsvoll über die Erkrankung und deren Behandlungsmethoden und -alternativen zu beraten, sie im Behandlungsverlauf zu betreuen und zum geeigneten Zeitpunkt mithilfe medizinischer Gutachten bei der Beantragung von Kostenübernahmen bei der Krankenkasse zu unterstützen“.

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Dieser Artikel ist auch im Vivantes Magazin gesund!, Ausgabe 04-2022, erschienen.