Veröffentlicht am 20. Oktober 2022

Herzkranke müssen dank Lotsen seltener ins Krankenhaus

TU München bestätigt positive Effekte des Innovationsfondsprojektes „Cardiolotse“

Die TU München hat nach vierjähriger Laufzeit das Innovationsfondsprojekt „Cardiolotse“ wissenschaftlich evaluiert. Die Auswertung zeigt einen deutlichen Nutzen für die Patient*innen. Herzkranke müssen beispielweise seltener ins Krankenhaus. Die Ergebnisse der Studie haben AOK Nordost, die Vivantes Netzwerk für Gesundheit GmbH und die TU München am 12. Oktober bei einem Symposium vorgestellt.

Der von der AOK Nordost und der Vivantes Netzwerk für Gesundheit GmbH 2017 ins Leben gerufene „Cardiolotse“ ist das einzige Lotsenmodell, das auf einer direkten Kooperation zwischen einer Krankenkasse und einem Krankenhaus basiert. Es wurde als Innovationsfondsprojekt von dem Team um Versorgungsmanagerin Petra Riesner und Prof. Dr. Dr. med. Alfred Holzgreve entwickelt. Mittlerweile ist der „Cardiolotse“ fester Bestandteil der Versorgung – vorerst an den acht Vivantes Klinikstandorten in Berlin. Die Cardiolotsen stehen Herzkranken sowie deren ärztlich und therapeutisch Behandelnden als zusätzliche Ansprechpartner*innen zur Verfügung. Ihre zentrale Aufgabe ist es, die Patient*innen persönlich und für diese gut verständlich in allen Belangen und zu allen Fragen rund um ihre Erkrankung aufzuklären und zu beraten.

Das Team um Prof. Dr. Leonie Sundmacher an der TU München untersuchte den Nutzen von „Cardiolotsen“ für die Patient*innen. An der randomisiert kontrollierten Studie nahmen 2835 AOK-Versicherte mit den gesicherten Diagnosen Herzinsuffizienz, Koronare Herzkrankheit oder Herzrhythmusstörung teil, die im Auswertungszeitraum in einem Berliner Vivantes Klinikum stationär behandelt wurden. Nach einem Jahr ermittelten die Wissenschaftlerinnen, wie oft diese Menschen erneut ins Krankenhaus eingewiesen wurden.

Gesundheitsökonomische Effekte und nachgewiesener Patientennutzen

Die Evaluation zeigt positive Effekte für die herzkranken Patient*innen in der Interventionsgruppe, die durch einen Cardiolotsen betreut wurden. So konnte die Zahl an Krankenhaus-Wiedereinweisungen für diese Gruppe signifikant reduziert werden. Auch die durchschnittliche Krankenhausverweildauer war in der Interventionsgruppe signifikant geringer als in der Kontrollgruppe. Innerhalb von 12 Monaten mussten Projektteilnehmende aus der Interventionsgruppe im Schnitt rund zwei Tage weniger im Krankenhaus bleiben als die Patient*innen in der Kontrollgruppe. Außerdem konnten durch die verbesserte Versorgung die Gesamtkosten signifikant reduziert werden. So fielen pro Patient*in in der Interventionsgruppe im Vergleich zur Kontrollgruppe durchschnittlich rund 2.670 Euro weniger Ausgaben an. Die meisten Einsparungen ergaben sich mit rund 2070 Euro bei den stationären Kosten.

"Unsere Studie zeigt deutliche gesundheitsökonomische Effekte, die durch das Projekt ‚Cardiolotse‘ generiert werden konnten. Diese machen sich vor allem bei den signifikant gesunkenen stationären Kosten bemerkbar“, sagt Prof. Leonie Sundmacher. „Aber auch die positiven Auswirkungen auf das Leistungsgeschehen, die sich unter anderem in den geringeren Wiedereinweise-Quoten und kürzerer Verweildauer im Krankenhaus widerspiegeln, sind ein deutliches Zeichen dafür, dass die persönliche Eins-zu-eins-Betreuung nach einem Krankenhausaufenthalt Wirkung zeigt.“

Patientenlotsen werden eine wichtige Rolle spielen

„Die Ergebnisse der wissenschaftlichen Auswertung bestärken uns in dem, was wir schon erkannt haben, noch bevor es die Ampelregierung in ihrem Koalitionsvertrag festgeschrieben hat: Patientenlotsen werden eine wichtige Rolle in der Gesundheitsversorgung der Zukunft spielen. Sie sind ein weiterer Schritt auf dem Weg zu einer individuellen, zielgerichteten Versorgung, die Effizienz und Qualität vereint“, sagt Daniela Teichert, Vorstandsvorsitzende bei der AOK Nordost.

„Wir wollen, dass unsere Patientinnen und Patienten schneller gesund werden, länger gesund bleiben und unnötige Krankenhausaufenthalte vermeiden“, kommentiert der Vorsitzende der Vivantes Geschäftsführung, Dr. Johannes Danckert. „Dazu müssen wir die bisherige, strikte Trennung zwischen ambulanter und stationärer Versorgung durchbrechen und ganzheitlich aus der Perspektive der Patientinnen und Patienten denken. Und wir können diese neuen Wege nur gemeinsam mit den Kostenträgern bahnen. Für all das steht das Projekt „Cardiolotse“. 

Ausblick des Lotsen-Modells

Die Projektpartner sehen sich durch die positiven Ergebnisse ermutigt, das Modell des Patientenlotsen weiter zu etablieren und auch auf andere Krankheitsbilder anzuwenden. Aktuell werden Möglichkeiten einer Weiterentwicklung geprüft. So steht die AOK Nordost bereits im direkten Austausch mit anderen Partnern, wie etwa der Schlaganfall-Stiftung.

Hintergrundinformationen:

So unterstützen die Cardiolotsen

Nicht alle Patient*innen finden sich im „Dschungel“ des umfangreichen und hochqualitativen ambulanten Behandlungsangebotes gleichermaßen zurecht, oder sie fühlen sich schnell davon überfordert. Hier setzen die Cardiolotsen an: Der Kontakt zu den Patient*innen entsteht bereits persönlich am Krankenhausbett. Nach der Entlassung melden sich die Cardiolotsen ein Jahr lang in regelmäßigen Abständen telefonisch bei den Patient*innen, um sich nach dem Befinden zu erkundigen und die empfohlene Nachsorge nachzuhalten und sicherzustellen. Dazu wird zum Beispiel in Abstimmung mit den behandelnden Ärzt*innen die Einbindung in geeignete Versorgungsangebote (z. B. Reha-Sport, Nikotinentwöhnung, Diätberatung und Disease-Management-Programme der AOK Nordost mit koordinierten Gesundheitsvorsorgemaßnahmen) geprüft. Cardiolotsen unterstützen aber auch bei der Terminfindung für ärztliche Kontrolluntersuchungen, bei der regelmäßigen und richtigen Medikamenteneinnahme sowie bei der Suche nach Herzsportgruppen. Die Betreuung durch einen Cardiolotsen geht damit weit über das bisherige Entlassmanagement hinaus.

Wie wird man Cardiolotse?

Gesundheitsfachkräfte aus medizinischen Assistenzberufen (Medizinische Fachangestellte sowie Gesundheits- und Krankenpfleger*innen) erwerben die Qualifikation zum Cardiolotse durch eine zweimonatige, speziell entwickelte Weiterbildung. Diese beinhaltet Lernmodule wie Kommunikationstraining, medizinische Fachwissensvermittlung mit kardiologischem Schwerpunkt, Hospitationen, Datenmanagement und Coaching. Durchgeführt werden die Schulungen sowohl von Kardiolog*innen und kardiologischen Pflegefachkräften als auch von externen Expert*innen. Die auf kardiologische Erkrankungen spezialisierten Module können als Muster für eine etwaige Standardqualifizierung zum Patientenlotsen dienen.

Diese Patient*innen können teilnehmen:

An dem Programm können bei der AOK Nordost Versicherte teilnehmen, die18 Jahre oder älter sind, sich in einer Vivantes Klinik an den Standorten am Urban, im Friedrichshain, Spandau, Auguste-Viktoria, Wenckebach, Humboldt, Neukölln und Kaulsdorf in stationärer Behandlung befinden oder befunden haben und mindestens eine der folgenden Diagnosen aufweisen:

  • Angina pectoris,
  • akuter Myokardinfarkt,
  • rezidivierender Myokardinfarkt,
  • akute Komplikationen nach akutem Myokardinfarkt,
  • sonstige akute ischämische Herzkrankheit,
  • chronische ischämische Herzkrankheit,
  • paroxysmale Tachykardie,
  • Vorhofflimmern und Vorhofflattern,
  • sonstige kardiale Arrhythmien 
  • oder Herzinsuffizienz.  

Weiterführende Informationen:

www.cardiolotse.de     

Video: Symposium Cardiolotse  

Cardiolotsen: „Man hat da jemanden, der weiterhelfen kann“ – AOK Nordost Forum

Cardiolotsen | Vivantes

Ihr Ansprechpartner

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