Veröffentlicht am 17. Mai 2024

Studie zu psychiatrischer Versorgung zu Hause: Mehr Zufriedenheit und weniger Wiederaufnahmen

Zehn Kliniken untersuchten in Innovationsausschuss-gefördertem Projekt stationsäquivalente Behandlung (StäB)

Wenn psychiatrische Patient*innen zu Hause statt in der Klinik behandelt werden, sind sie und ihre Angehörigen zufriedener mit der Behandlung. Die zuhause behandelten Patient*innen werden wesentlich seltener in den nächsten zwölf Monaten stationär ins Krankenhaus aufgenommen und fühlen sich mehr an Entscheidungen beteiligt. Auch die Kosten der stationsäquivalenten Behandlung (StäB) sind insgesamt nicht höher als die Kosten einer stationären Behandlung.

Erste große Studie in Deutschland

Das sind zentrale Ergebnisse der AKtiV-Studie („Aufsuchende Krisenbehandlung mit teambasierter und integrierter Versorgung“). In der Multicenter-Studie haben zehn Kliniken stationsäquivalente Behandlung (StäB) gemäß §115d SGB V mit der konventionellen stationären Behandlung verglichen – und zwar unter anderem im Hinblick auf die Wiederaufnahme nach zwölf Monaten, Zufriedenheit, klinischen Symptome, Funktionsniveau, Lebensqualität und Kosten.Diese Versorgungsform wurde jetzt erstmals an einem großen Kollektiv von insgesamt 400 Patient*innen über zwölf Monate an zehn Kliniken in Deutschland untersucht.

Stationsäquivalente Behandlung (StäB) kann das Leben psychiatrischer Patient*innen verbessern – und die Arbeit der Fachkräfte

Wissenschaftlicher Leiter Prof. Dr. Andreas Bechdolf, Chefarzt der Kliniken für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik am Vivantes Klinikum Am Urban und am Vivantes Klinikum im Friedrichshain: „Bei der stationsäquivalenten Behandlung besuchen unsere multiprofessionelle Teams die psychisch erkrankten Menschen im häuslichen Umfeld. So können die Patient*innen ihre eignen Ressourcen und die Unterstützung im sozialen Umfeld besser nutzen. Patient*innen, die im häuslichen Umfeld therapiert wurden, fühlten sich auch mehr an Entscheidungen beteiligt, waren zufriedener und mussten innerhalb von zwölf Monaten wesentlich weniger stationär wiederaufgenommen werden als stationär behandelte Patient*innen.Insgesamt zeigt die Auswertung, dass aufsuchende Behandlung das Potenzial hat, die psychiatrische Versorgung wesentlich stärker an den Wünschen der Betroffenen und Angehörigen auszurichten und damit das Leben vieler psychiatrischer Patient*innen zu verbessern. Auch unsere Mitarbeitenden haben wir befragt – auch sie erlebten die Arbeit in der StäB als effektiver und erfüllender.“

Vom Innovationsausschuss gefördert

Das vom Innovationsausschuss des Gemeinsamen Bundesausschusses mit 1,8 Millionen Euro geförderte Projekt war auf 42 Monate angelegt. An der Untersuchung waren die Medizinische Hochschule Brandenburg, die Charité - Universitätsmedizin Berlin, das kbo-Isar-Amper Klinikum Region München, die Universität Bremen, die Universität Ulm, die Vivantes Netzwerk für Gesundheit GmbH und die ZfP Südwürttemberg gGmbH als Konsortialpartner beteiligt.

Nutzende und Angehörige wünschen schon lange aufsuchende psychiatrisch-psychotherapeutische Behandlung, weil sie niederschwelliger, weniger stigmatisierend und ressourcenorientierter als vollstationäre Behandlung erlebt wird. In der psychiatrischen Versorgungsstruktur in Deutschland ist eine intensive, aufsuchende Behandlung erst seit 2018 in Form der stationsäquivalenten Behandlung (StäB) möglich.

Vergleicht man die Menschen, die im Projekt von StäB-Teams zu Hause therapiert wurden mit den vollstationär Behandelten, waren die in der Stäb Behandelten und deren Angehörigen signifikant zufriedener mit der Behandlung und die Nutzenden fühlten sich signifikant mehr in die Behandlung einbezogen. In Zeiten von Fachkräftemangel ist auch bedeutsam, dass StäB für Mitarbeitende sehr attraktiv ist, denn die StäB-Mitarbeitenden waren mit ihrer Arbeit sehr zufrieden.

Innerhalb von zwölf Monaten wurden nur 29 % der Studienteilnehmenden aus der StäB-Gruppe stationär wiederaufgenommen, während in der vollstationär behandelten Gruppe 47 % wieder in einer Klinik behandelt wurden. Dieser Unterschied ist hoch signifikant und klinisch bedeutsam, wie Prof. Dr. Bechdolf betont. Der Unterschied zwischen den Behandlungsgruppen bliebe auch signifikant, wenn nicht nur vollstationäre, sondern auch tagesklinische und StäB-Wiederaufnahmeraten in die Auswertung mit einbezogen wurden. Dies unterstreiche die Wirksamkeit der aufsuchenden Behandlung zumal die Symptomschwere (gemessen mit Health of Nation Outcome Scales / HoNOS), das psychosoziale Funktionsniveau (gemessen mit der deutschen Version der Personal and Social Performance Scale / PSP) und die Lebensqualität (gemessen mit dem European Quality of Life 5 Dimensions / EQ-5D-5L Fragebogen) gleichzeitig nicht schlechter nach StäB als nach der vollstationären Behandlung waren.

Die durchschnittliche Dauer betrug 37 Tage für die Behandlung im häuslichen Umfeld und 28 Tage für die stationäre Behandlung. Die Kosten der StÄB waren insgesamt nicht höher als die der Krankenhausbehandlung. Während in der StäB-Gruppe niedrigere Krankenhauskosten verzeichnet wurden, waren die Medikamentenkosten und auch die psychosozialen Versorgungskosten für die Gruppe, die stationär behandelt wurde, geringer – und das glich sich aus.

Links

AKtiV-Studie – Aufsuchende Krisenbehandlung mit teambasierter und integrierter Versorgung (AKtiV-Studie)

Expertenprofil Prof. Dr. Andreas Bechdolf

Weiterlesen im Blog: Zukunft der Psychiatrie: Was bringt psychiatrische Behandlung zu Hause? | Vivantes

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